Saison 04/2011
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Transcript of Saison 04/2011
Der Tiroler Bergsommer hat Potenzial
SONNIGE AUSSICHTEN
T O U R I S M U S M A G A Z I N | A U S G A B E 0 4 / 1 1 | S O M M E R / H E R B S T 2 0 1 1
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MEHR AUF
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Zitiert
„Gesundheitstourismus ist der Oberbegri� für einen touristi-schen Aufenthalt mit dem Ziel der Erhaltung, Stabilisierung und Wiederherstellung der Gesundheit, bei dem aber – um ihn von einem ‚normalen‘ Ferienaufenthalt zu unterschei-den – Gesundheitsleistungen einen Schwerpunkt bilden.“
Claude Kaspar, Tourismusforscher
„Kultur und Esskultur sind eng miteinander verbunden. Kunstinteressierte Gäste legen häufi g auch Wert auf quali-tätvolles Essen. Tirol hat es versäumt, diese beiden Berei-che zu fördern.“
Alfons Parth, Wirt und initiator des
kulinarischen Jakobswegs
„Früher hatten Eltern ganz andere Ansprüche. Man hat gesagt: ‚Solange die Kinder ganz klein sind, fahre ich nicht in Urlaub. Später mache ich Familienurlaub und ord-ne mich den Wünschen der Kinder unter.‘ Heute hingegen legen immer mehr Gäste Wert darauf, dass sie selbst auch nicht zu kurz kommen.“
Ernst Mayer, Chef des Kinderhotels
alpenrose in Lermoos
„Wir müssen die Urlaubsbe-dürfnisse der Leute zu 100 Prozent stillen. Rafting allein ist dabei zu wenig. Es braucht ein umfassendes, reichhal-tiges Angebot für die ganze Familie.“
Hansi Neuner, Geschäftsführer
der area 47
saison
StiCHWort
ETYMOLOGIEAlpe, alp, alm, Femininum, „Bergweide“,
mhd. albe (1300), „Bergweide“, ahd. alba
(10. Jh.), „alp, alm, Bergweide“, (790 lat.
alpes duas) zu (vor)indogermanisch. *albon,
»Berg, hochgelegener Weideplatz«,
Einfl uss von lat. albus, adj., „weiß“,
Köbler, Gerhard, Deutsches Etymologisches
Wörterbuch, 1995
Nächtigungen seit 1990Quelle: Landesstatistik Tirol
Klima-wandel
Klein, kühl, sicher, reich.
Laut dem schweizer
Trendforscher David
Bosshart werden das die
attribute sein, mit denen
der alpentourismus im
globalen Wettbewerb mit-
spielen kann. Wenn in den
kommenden Jahrzehnten
die Durchschnittstempe-
ratur um zwei Grad steigt,
wird es in Venedig so
heiß sein wie in der Türkei
– und die alpen bieten
angenehme Temperatu-
ren für sommerfrischler.
Damit spekulieren
zumindest Experten.
Zahlen, bitte
9.000in Österreich gibt es etwa 9.000 almen,
davon liegt rund ein Viertel in Tirol, das
damit mit 2.151 das almenreichste Bun-
desland ist, deutlich vor salzburg mit
1.814. 13 Prozent, das sind 1,06 Millionen
Hektar des österreichischen staatsge-
bietes, sind von almen bedeckt, auch
fl ächenmäßig hat Tirol mit 39 Prozent
den größten anteil an den heimischen
almfl ächen. (almstatistik der Bundesan-
stalt für Bergbauernfragen, 2009)
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1990 1992 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008 2010
SommerWinter
4
Der Wert des Wetters
Schön ist’s, wenn’s schön ist – dem Volks-
mund kann man gerade aus touristischer
Perspektive nicht widersprechen. sonne
und Wärme sind nachweislich dem Men-
schen angeborene sehnsüchte. Tatsäch-
lich ist die Wetterfühligkeit der Reisenden so groß wie
noch nie. Entschieden wird spontan und kurzfristig,
wann, wohin und wie lange verreist wird. oft genug
spielt da die aktuelle Wetterprognose eine Hauptrol-
le – auch wenn Urlauber nicht explizit eine erklärte
sonnen- und/oder stranddestination anpeilen. auch
der aktive Gast, der in die alpen fährt, informiert sich
im Vorfeld über alle Details und kann dies gerade im
Wetterbereich immer genauer mit immer längeren
Vorlaufzeiten tun.
Für die touristischen anbieter im alpenraum lie-
gen die Konsequenzen klar auf der Hand: Das groß-
artige schaupiel der natur gerade im Wechsel der
Witterungsverhältnisse gehört zum Urlaub in unseren
Breitengraden einfach dazu – es zu leugnen wäre
falsch. Dieses „alpine Reizklima“ in der Höhenlage der
Berge, das viele unserer Gäste auch bewusst genießen,
erfordert aber auch einen noch aktiveren Umgang als
bisher – sonst geht Geschäft verloren. Zu präzise wird
das Wetter heute vorhergesagt, zu vielfältig sind die
informationskanäle, zu zentral sind Wetterprognosen
für die generelle Urlaubsentscheidung geworden.
Gerade an den enormen Reichweiten der einzelnen
Wettersendungen im Fernsehen, die vielfach schon
zu inszenierten Wettershows mit außenwetterdrehs
mutiert sind, lässt sich der Wert des Wetters able-
sen. Zusammen mit vielen Regionen unseres Landes
nützt die Tirol Werbung derartige Formate seit einigen
Jahren konsequent, um unsere Vorzüge authentisch
und glaubwürdig reichweitenstark zu kommunizieren.
ob saisonbegleitendes sommer- oder Winterwetter
auf dem führenden deutschsprachigen nachrich-
tensender n-tv, regelmäßige außenwetterdrehs von
TV-stationen oder ein jährlich in Tirol stattfi ndendes
Gipfeltreff en der führenden Wettermoderatoren in-
klusive ausführlicher Vor-ort-Reportagen und einer
Reichweite von über 60 Millionen Zusehern – Tirol
trägt der gestiegenen Wettersensibilität der Urlauber
mit innovativer Medienarbeit Rechnung.
Intensiver einbringen. Doch eines ist ebenfalls
klar: soll Tirol in diesem Bereich weiter führend bleiben,
müssen wir uns einerseits im netzwerk der Wetter-
informationen noch intensiver einbringen und die aktiv
angebotene informationsqualität und -dichte in den
einzelnen Kanälen weiter erhöhen. Gerade im internet
können auf einschlägigen Wetterseiten Bilder, Texte
oder Videos zugeliefert werden, und damit steigen
auch die Chancen Gutwetter-Botschaften oder er-
freuliche Wetterereignisse (im Winter etwa neuschnee)
noch erfolgreicher zu verbreiten.
andererseits sollten wir uns als anbieter auch
immer wieder kritisch fragen, ob und wie wir die schon
so vielfältig und erfolgreich entwickelten, quasi wasser-
festen Erlebnis-, Einkaufs- und Eventangebote in unse-
rem Land weiter ergänzen beziehungsweise gezielter
vermitteln können. Es macht aber auch sinn zu hinter-
fragen, ob wir bereits genügend qualitätsvolle Plätze
schaff en konnten, um Regenstunden zu erinnerungs-
würdigen Mußestunden mutieren zu lassen. Denn in
sonnendestinationen wie im alpenraum macht erst die
Harmonie der Gegensätze den Reiz eines stimmigen,
weil kompletten Urlaubserlebnisses aus: so wie wir in
der südlichen Hitze die Kühle eines Bades oder alten
Gemäuers schätzen, so fi nden unsere glücklichen Gäs-
te nach einer gesunden Wanderung durch die frische
Regenluft die wohlige atmosphäre entspannter Well-
nessbäder sowie die gemütlichen Tiroler stuben und
unsere wärmende Gastfreundschaft. ×
EDiToRiaL
J o s EF M a R G R Ei T ER , D i R EK To R T i R o L W ER B U n G
5 saison
editorial
Die Wetterfühligkeit der Reisenden ist so groß wie noch nie. Entschieden wird spontan und kurzfristig, wann, wohin und wie lange verreist wird.
Das großartige Schaupiel der Natur gerade im Wechsel der Witterungsverhältnisse ge-hört zum Urlaub in unseren Breitengraden einfach dazu – es zu leugnen wäre falsch.
Es macht Sinn zu hinterfra-gen, ob wir bereits genü-gend qualitätsvolle Plätze schaffen konnten, um Re-genstunden zu erinnerungs-würdigen Mußestunden mutieren zu lassen.
7 SAISON
INHALT
IMPRESSUMSAISON – Tourismusmagazin, Nr. 4/2011 (63. Jahrgang) SAISON-Abohotline: 0512/58 60 20
HERAUSGEBER: Tirol Werbung, Maria-Theresien-Straße 55, 6020 Innsbruck • MEDIENINHABER UND VERLEGER: target group publishing GmbH – Zielgruppen Verlag, Karl-Kapferer-Straße 5, 6020 Innsbruck • CHEFREDAKTEUR: Matthias Krapf • REDAKTION: Mag. Sylvia Ainetter, Ste� en Arora, Mag. Sonja Kainz, Mag. Jane Kathrein, Esther Pirchner, Ernst Spreng • AUTOREN: Ernst Molden, Alois Schöpf • FOTOGRAFEN: Gerhard Berger, Michael Rathmayr • PRODUKTION: NERO WerbeGmbH, www.nerografi k.net • LAYOUT: Philipp Frenzel • ANZEIGENVERKAUF: Thomas Pilgram, [email protected] • ANSCHRIFT VERLAG/PRODUKTION: Karl-Kapferer-Straße 5, 6020 Innsbruck, Tel. 0512/58 60 20, Fax DW -20, [email protected] • GESCHÄFTSFÜHRUNG VERLAG: Mag. Andreas Eisendle, Michael Steinlechner • DRUCK: Niederösterreichisches Pressehaus, St. Pölten
8Tirol. Ein SommermärchenDer Sommertourismus liegt im Dornröschenschlaf – die Kampagne „Tiroler Bergsommer“ soll das ändern.
12Die Alpen als Mittelmeer?Klimawandel: Experten räumen dem Sommertourismus in Tirol durchaus Wachstumschancen ein.
14Medizin tri� t TourismusDas Angebot im medizinischen Ge-sundheitstourismus in Tirol ist vielfältig, das Potenzial noch nicht erschöpft.
18Sehnsuchtsort AlmVom ursprünglichen Almerlebnis könn-te der Tourismus stärker profi tieren.
22„Das Besondere ist die Vielfalt“Alfons Parth, Wirt und Initiator des ku-linarischen Jakobswegs, im Interview
26Modernen Eskapismus nutzen Sportliche Gäste bringen gutes Geld und sind wetterfest. Aber nur, wenn auch das Angebot stimmt.
30„Das Kind steht im Mittelpunkt“Ernst Mayer, Chef des Hotel Alpenrose in Lermoos, über die Spezialisierung auf Familien
32ErfolgskonzepteWo außerhalb Tirols bemerkenswerte Sommerangebote Gäste locken
MAGAZIN
38Auf Reisen mit GottFür gläubige Menschen spielt Gott auch im Urlaub eine Rolle.
40Design statt Alpenkitsch Immer mehr Hoteliers trauen sich weg von Alpenkitsch und Lederhosen-architektur – und haben damit Erfolg.
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44Freiräume scha� enKurt Höretzeder, Gründer von „wei sraum – Forum für visuelle Gestaltung“ im Interview
46Der Tod im GebirgeLina Hofstädter, Bernhard Aichner und Lena Avanzini sind mit regional-spezifi scher Krimiliteratur erfolgreich.
49 Kommentare
50 Nachgefragt
„DAS BESONDERE IST DIE VIELFALT“ 40
DESIGN STATT ALPENKITSCH
„DAS KIND STEHT IM MITTELPUNKT“
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DER TOD IM GEBIRGEDER TOD IM GEBIRGE
MODERNEN ESKAPISMUS NUTZEN 18SEHNSUCHTSORT ALM
THEMA: DER TIROLER BERGSOMMER
8 SAISON
BERGSOMMER
Tirol. Ein Sommermärchen Der Sommertourismus liegt im Dornröschenschlaf – die Auslastung der Hotels beträgt nur 27 Prozent. Die integrierte Kampagne „Bergsommer Tirol“ der Tirol Werbung soll das ändern.
VON S YLVIA A INE T TER
V erschneite Hänge, gut prä-
parierte Pisten, unzählige
Loipen und Rodelbahnen
– die Assoziationen zu
Tirol sind meist winterlicher Natur. Das
war aber nicht immer so: Erst seit Anfang
der 1990er-Jahre ist die Sommersaison
schwächer als die Wintersaison. Die bes-
ten Ergebnisse wurden nach dem Mauer-
fall und der Ostö� nung in den Jahren 1991
und 1992 erzielt – die Höchstmarke lag
bei mehr als 23 Millionen Nächtigungen.
Zum Vergleich: Die Sommersaison 2010
verzeichnete nur knapp 18 Millionen – und
liegt damit deutlich darunter.
Die Diskrepanz zwischen Sommer
und Winter macht den Touristikern schon
länger zu scha� en, denn im Sommer
reisen nicht nur weniger Gäste an, die
kürzer bleiben (Winter: 5,0 Tage, Sommer
4,1 Tage). Dazu kommt, dass die Tages-
ausgaben der Gäste im Sommer deutlich
niedriger sind (104 vs. 137 Euro).
Das soll sich nun wieder ändern
– mithilfe einer groß angelegten Kam-
pagne, dem „Bergsommer Tirol“. Josef
Margreiter, Direktor der Tirol Werbung,
sieht Potenzial in der Sommersaison, fügt
aber hinzu: „Erfolgsentscheidend bleiben
das unternehmerische Engagement und
die innovative Bereitschaft, in wertvolle
Sommerangebote und Vermarktung zu
investieren.“
Natur als Kapital. Sport & Aktiv („Er-
obern“), Natur & Gesundheit („Fühlen“),
Familienerlebnis („Entdecken“) und Kultur
& Kulinarik („Genießen“) – das sind die vier
Themenbereiche, die verstärkt vermarktet
werden – und gleichzeitig die Vielfältigkeit
Tirols vermitteln sollen. Der Bergsommer-
Kampagne ging unter anderem eine Analyse
der Herkunftsmärkte sowie der Gästestruk-
tur voraus. „45 Prozent unserer Gäste im
Sommer sind Paare, 22 Prozent sind Famili-
en, der Altersschnitt unserer Gesellschaft ist
weiter steigend und dennoch muss Tirol mit
Angeboten für die heutige Jugend im Som-
mer noch ,cooler’ sein“, erklärt Margreiter
die Schwierigkeiten bei der Eingrenzung der
Zielgruppe. Mit den vier Themenbereichen
sollen alle Altersschichten und Interessen-
gruppen angesprochen werden.
„Laut der letzten Gästebefragung
sind es unverändert vor allem Land-
schafts- beziehungsweise Naturerlebnis
und die Berge, die Urlauber in Tirol nebst
spürbarer Gastfreundschaft am meisten
schätzen. Als Argumente für einen Tirol-
Urlaub werden zudem die gute Luft und
das gesunde Klima, die Wander-Infrastruk-
tur und die Ruhe, das vielfältige Erlebnis-
Angebot und die Erholungsmöglichkeiten
angeführt“, erklärt Margreiter. „Der Tiroler
Gast ist ein aktiver Naturliebhaber, der in
den Bergen die Erholung beziehungsweise
sportliche Freude sucht und dabei auch
dem kulinarischen und vermehrt auch
dem lebenskulturellen Genuss frönen will.“
„Regrounding“. Damit liegen die
Tirol-Urlauber im allgemeinen Trend:
Zukunfts- und Trendforscher beobachten
einen Wertewandel – materieller Wohl-
stand bleibe zwar wichtig, wesentlich sei
jedoch die sogenannte Solidität (Zuver-
lässigkeit) der konsumierten Produkte.
„Regrounding“ nennen Soziologen das
Phänomen, dass Familie, Natur und Zeit
für sich selbst wieder in den Vordergrund
rücken. „Der moderne Reisende hat bald
genug Länder erobert und will vermehrt
aus seinem gewohnten, zunehmend ur-
banen Alltag ausbrechen, um dabei etwas
für seine persönliche Balance und Bezie-
hung, seine Fitness oder etwas für den
eigenen Energiehaushalt zu tun“, analy-
siert Margreiter. Urlaub in den Bergen ist
unter diesen Gesichtspunkten wesentlich
attraktiver als ein Shopping-Bade-Aufent-
halt in der Türkei.
Dass sich dieser Trend noch nicht
in den Sommernächtigungszahlen wider-
spiegelt, liegt laut Margreiter nicht an feh-
lendem Engagement der Tourismusbetrie-
be. Tirols Touristiker hätten in den letzten
Jahren bereits zahlreiche neue Angebote
gescha� en, die sich gut vermarkten lie-
ßen. „Die Sommerbahnen beispielsweise
bieten abseits vom ,nur’ Wandern richtige
Spielberge und Familienprogramme, die
„Die Vision ist, dass jeder mit sei-nem Beitrag selbst Teil des Tiroler Bergsommers und zum individuel-len ,Geschichtenerzähler’ aus un-serem legendären Land im Gebirg’ wird.“JOSEF MARGREITER, DIREKTOR TIROL WERBUNG
9
DIE VIER GESICHTER DES BERGSOMMERS
Die integrierte Kampagne „Berg sommer Tirol“ konzentriert sich im Wesentlichen auf vier Themenbereiche.
„EROBERN“:SPORT & AKTIVDie Zielgruppe des Themenbereichs „Erobern“ ist eine erfolgsorientierte Elite. Sie gestaltet ihren Urlaub aktiv, will die Berge intensiv erleben. Selbst-bewusste, sportbegeisterte Menschen, die vornehmlich Bergsteigen, Klettern und Mountainbiken. „Top-Events wie der Giro d’Italia, Triathlon-, Lauf- oder Mountainbike-Rennen und Angebote wie Outdoor-Camps und Klettersteige, der Bike Trail Tirol, Wassersportmöglichkeiten und vieles mehr sind hier perfekt eingebet-tet“, fügt Margreiter hinzu.
„FÜHLEN“:NATUR & GESUNDHEITNatur und Gesundheit –„Reground-ing“ und Selfness liegen im Trend. Viele Menschen sehnen sich nach Stille, um daraus neue Kraft zu tanken, manche streben nach Selbstverwirklichung und Weiterentwicklung. „Für mentale Erholung sind gute Gastfreundschaft und echte Kraftplätze zum Auftanken, für die körperliche Entspannung sind hochwertige Wellnessprogramme mit gesunder Ernährung und Bewegung gefragt“, erklärt Margreiter. Gesund-heitsbewusste Genießer, die in ruhiger Umgebung entspannen wollen oder sich für die abwechslungsreiche Viel-falt in einem Naturpark begeistern, sind die Zielgruppe dieses Themenbereichs.
„ENTDECKEN“:FAMILIENERLEBNISFamilienurlaub mit allen Sinnen: Aus-testen, forschen, verstehen – dieses Angebotssegment erfüllt Entdecker-trieb von Kindern und Familien. Ge-meinschaftserlebnisse stehen dabei im Mittelpunkt. Zum Beispiel die An-gebote im Rahmen des „Family Tirol“-Programms, das Hexenwasser oder der Murmlitrail. „Das dritte Motto richtet sich ganz klar an Kinder und Familien – übrigens aktuell 22 Prozent unserer Sommergäste“, so Margreiter.
„GENIESSEN“:KULTUR & KULINARIKKultur und Kulinarik: „Beide Ange-botssegmente sind zwar bisher noch vergleichsweise selten buchungsent-scheidend, aber dennoch von nicht zu unterschätzender Bedeutung – vor allem für das Image“, fügt Margreiter an. Zielgruppe sind Interessierte und Bildungshungrige, Kultur.Tirol-Veran-staltungen und Genussrouten kommen ihren Bedürfnissen entgegen.
So nah, so fern: Die Sujets der neuen Tirol-Werbungs-Kampagne zeigen unretuschierte Tirol-Bilder. Sie dienen vor allem auch der Vermarktung des Tiroler Bergsommers.
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1985 1987 1989 1991 1993 1995 1997 1999 2001 2003 2005 2007 2009
Winter Sommer Gesamt
TOURISMUS IN TIROL 1985–2010:Ankünfte und Nächtigungen seit 1985QUELLE: L ANDESS TATIS TIK T IROL
von der Sommerrodelbahn über kulina-
rische Höchstgenüsse bis hin zu echten
Erlebniswelten für Kinder reichen. Das hat
im gesamten Alpentourismus viel bewirkt
und Nachahmer motiviert.“ Das Potenzial
anderer Angebote sei jedoch bei Weitem
noch nicht voll ausgeschöpft, ortet Mar-
greiter Verbesserungsbedarf – und will mit
der Kampagne Hilfestellung leisten.
Authentische Geschichten. Diese
startet im Jahr 2012 – unter Mithilfe der
Tourismusbetriebe. Das Konzept basiert
zu einem großen Teil auf der Idee des
Storytellings: Zeitgemäße Botschaften,
authentische Bilder und echte Geschich-
ten sollen positive Aufmerksamkeit erre-
gen, die Marke stärken und Tirol als Ganz-
jahresdestination positionieren. „Um den
Bergsommer Tirol 2012 auf breiter Ebene
bekannt zu machen, sind ,Opening-
Events’ geplant“, sagt Margreiter.
Weitere Maßnahmen seien Radio-
und Fernsehspots, aber natürlich auch
Online-Werbung. Geplant ist außerdem
ein „Tirol-Tagebuch“: Als zentrales Print-
medium soll es Tirols Gäste in Form eines
„Erfolgsentschei-dend bleiben das unternehmeri-sche Engagement und die innova-tive Bereitschaft, in wertvolle Som-merangebote und Vermarktung zu investieren!“JOSEF MARGREITER, DIREKTOR TIROL WERBUNG
Führers über alle Facetten des Bergsom-
mers informieren.
Die Kampagne „Bergsommer Ti-
rol“ solle vor allem als „Vorstieg“ für die
Vertriebskampagne und zahllosen Maß-
nahmen der Betriebe fungieren. 2012
seien alle gefordert, den Bergsommer
bemerkbar zu machen – Tourismusver-
bände, Leistungsträger, Standortpartner
und Multiplikatoren, so Margreiter. Mit der
Resonanz zeigt sich die Tirol Werbung zu-
frieden, ein Drittel der Tourismusverbände
habe sich bereits auf einer eigenen Inter-
netplattform zum Bergsommer angemel-
det, um sich zu informieren oder eigene
Schritte zu setzen.
Der „Bergsommer Tirol“ genießt
hohe Priorität: Die Tirol Werbung investiert
substanzielle Mittel in die Kampagne, kon-
zipiert ist sie bereits für die nächsten drei
Jahre. „Die Vision ist, dass jeder mit seinem
Beitrag selbst Teil des Tiroler Bergsom-
mers und zum individuellen ,Geschichten-
erzähler’ aus unserem legendären Land im
Gebirg’ wird“, sagt Margreiter.
Damit den Gästen bei Tirol mehr als
nur „Schnee“ einfällt. ×
Innovative Hoteliers sind zukunftsorientiert und nutzen schon heute die Energielösungen von morgen.Denn die Zukunft der Energie hat bei ProContracting schon begonnen!
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ZIELE DER KAMPAGNE „BERGSOMMER TIROL“
• Stärkung der Marke Tirol und Steigerung der Markenbekanntheit• Steigerung von Image und Bekanntheit von Tirol als attraktive
Sommerdestination• Positionierung von Tirol als Ganzjahresdestination• Etablierung des Bergsommers als übergreifende Klammer für alle
Tiroler Sommerangebote• Nutzung von Synergien durch die aktive Beteiligung vieler
touristischer Akteure und Betriebe in Tirol• Scha� ung eines Aufhängers für die gesamte Kommunikation
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Action und Erholung: Dass Tirol beides kann, steht im Vor-dergrund der Marketingkampa-gne „Tiroler Bergsommer“.
12 SAISON
BERGSOMMER
Die Alpen als Mittelmeer? Klein, kühl, sicher, reich. Mit diesen Attributen wird laut dem Schweizer Trendforscher David Bosshart der Alpentourismus im globalen Wettbewerb punkten können. Wird sich der klassische Mittelmeertou-rist tatsächlich in einen Fan der Alpen verwandeln lassen? Experten räumen dem Tiroler Bergsommer durch die steigenden Temperaturen durchaus Wachstumschancen ein.
VON SONJA K AINZ
D er Klimawandel wird
kommen und ist zum Teil
bereits spürbar, so weit
sind sich die meisten For-
scher einig. Wie er sich tatsächlich auf
die Umwelt, speziell im klimatisch be-
sonders sensiblen Alpenraum auswirken
wird, ist derzeit allerdings großteils noch
Gegenstand von Spekulationen. Wissen-
schafter behelfen sich deshalb gerne mit
Wahrscheinlichkeiten. So gilt es als relativ
gesichert, dass in den kommenden Jahr-
zehnten die mittlere Jahrestemperatur
um zwei Grad ansteigen wird, erklärt Eric
Veulliet, Leiter des Zentrums für Natur-
gefahren und Risikomanagement (AlpS)
in Innsbruck.
Für die Region rund um Venedig
würde ein Anstieg dieser Größenord-
nung beispielsweise bedeuten, dass es
dort so heiß werden würde wie heute in
der Türkei. In den Alpenregionen werden
die Sonnentage vermutlich zunehmen, es
wird trockener und auch wärmer werden.
Im Mittelmeerraum könnte das wärmere
Klima länger anhaltende und häufi gere
Hitzewellen bewirken. Die damit einher-
gehende Trockenheit dürfte für erhöhte
Waldbrandgefahr sorgen, führt Veulliet
aus. Auch Engpässe bei der Wasserver-
sorgung seien denkbar.
„Klein, sicher, kühl und reich“ sind
laut dem Schweizer Trendforscher David
Bosshart die Trümpfe, die europäische
Alpenländer wie Österreich in Zukunft in
Händen halten werden. Wird der klassi-
sche Mittelmeertourist angesichts glü-
hender Hitze und der Aussicht, aufgrund
der Wasserknappheit nur mehr einmal
am Tag duschen zu können, den „Teuto-
nengrill“ verlassen und ins nach wie vor
gemäßigte Klima der Alpen fl üchten?
Sonne, Strand, Meer. Der Klima-
wandel kann durchaus positive Elemen-
te für den Sommertourismus in Tirol
beinhalten, meint dazu Professor Hubert
Siller, Leiter des Studiengangs Tourismus
und Freizeitwirtschaft des Management
Centers Innsbruck (MCI). Siller warnt al-
lerdings vor zu viel Euphorie: „Wir stehen
im Sommer in einer viel intensiveren Kon-
kurrenzsituation als im Winter.“
Die Tatsache, dass die Menschen
im Sommer vor allem Sonne, Strand und
Meer suchen, sei ein Massenphänomen.
Für rund 40 Prozent der Sommertouristen
sei dies derzeit das zentrale Motiv, um zu
verreisen. „Da sehe ich keine Substitu-
tion.“ Das Naturerlebnis in den Alpen
suchen momentan laut Siller etwa elf bis
zwölf Prozent.
Wissenschaftliche Untersuchun-
gen, wie sich klimatische Veränderun-
Blindtext: Blindtext
Brandberg im ZillertalRhodos
13
Bosshart in einer Mischung aus Sicherheit
und Flexibilität, wie in maßgeschneider-
ten Abenteuerangeboten.
Siller sieht das ähnlich: „Die Berge
müssen für die Gäste bequem erlebbar
sein.“ Die große Masse werde nicht zum
Bergsteigen nach Tirol kommen. Vor al-
lem ältere Menschen und Familien suchen
das Naturerlebnis, auch für sie sollte der
Zugang zur Bergwelt möglichst einfach
möglich sein, meint Siller. Einen Konfl ikt
mit jenen Gästen, die die möglichst ur-
sprüngliche Landschaft suchen, sieht er
deshalb nicht heraufziehen. „Beides muss
möglich sein.“
„Schlüssel zum Erfolg“. Tatsache
ist, dass Tirols Sommertourismus im
Österreich-Vergleich bereits jetzt sehr
gut da steht: Tirol erzielte beispielsweise
im Sommer 2010 knapp 17,8 Millionen
Nächtigungen, fast doppelt so viel wie
Kärnten mit 8,7 Millionen. „Wir haben
einen quantitativ durchaus ausgeprägten
Sommertourismus“, sagt Siller. Es sei eben
nur schon einmal besser gewesen und
zwar in den 80er-Jahren. Seit etwa 20
Jahren stagnieren die Zahlen auf hohem
Niveau, erklärt der MCI-Professor.
Auch wenn Siller dem Klimawan-
del durchaus Chancen einräumt, dem
Sommertourismus in Tirol in die Hände
zu spielen, hält er einen anderen Faktor
für wichtiger. „Der Schlüssel zum Erfolg
wird immer das Produkt sein.“ Ihm fehle
in Tirol beispielsweise schon lange die
absolut spezialisierte Wanderregion. Das
Bergsommerprodukt gehöre intensiviert,
außerdem sollte verstärkt auf die Ziel-
gruppe Familien eingegangen werden.
„Kleinheit“ sei ein weiteres Attribut, mit
dem man in Tirol werde punkten kön-
nen. „Das Überschaubare, Persönliche,
Maßvolle, die emotionale Beziehung
zum Gast, Wahrhaftigkeit – auch das
ist ein Riesentrend. Da stechen wir den
gesamten mediterranen Raum ganz klar
aus“, meint Hubert Siller. ×
gen auf das Reiseverhalten der Zukunft
auswirken werden, sind momentan noch
rar, so Robert Steiger, Studienleiter von
„KlimTour“. Die von AlpS in Zusammen-
arbeit mit der Universität Innsbruck und
der Tirol Werbung durchgeführte Studie
setzt sich damit auseinander, wie sich ver-
änderte klimatische Verhältnisse auf die
Rahmenbedingungen für den Tourismus
auswirken. Tendenziell werden die E© ekte
auf den Sommertourismus, im Gegensatz
zum Winter, eher positiv eingeschätzt.
In einer ersten Phase wurden
vorhandene Studien gesammelt und
hinsichtlich ihrer wissenschaftlichen
Qualität, Aktualität und Übertragbarkeit
auf Tirol bewertet. Vor allem was die
Auswirkungen auf den Sommer angehe,
gebe es derzeit kaum wissenschaftliche
Untersuchungen, erklärt Steiger. Eine
zentrale Frage sei, ob der klassische Mit-
telmeertourist, dem es im Süden zu heiß
werde, tatsächlich stattdessen in die Ber-
ge fährt und wann genau es ihm wirklich
zu heiß wird. Eine kleinere Untersuchung
an Studenten habe gezeigt, dass das Tem-
peraturempfi nden sehr unterschiedlich
sei und von den verschiedensten Fakto-
ren abhänge, wie beispielsweise, welche
Aktivitäten jemand im Urlaub plane oder
auch aus welchem Land jemand kommt.
Wachstumspotenzial. Siller glaubt
zwar nicht daran, dass der Klimawandel
eine große Trendwende bewirken wird,
aber ein „gemäßigtes“ Wachstumspo-
tenzial für den heimischen Sommer-
tourismus sieht er durchaus. Bis zu zehn
Prozent hält er für möglich. Die Menschen
suchen wieder verstärkt das Naturerleb-
nis. Bewegung in der Natur, Gesundheit,
aktivere Urlaubsgestaltung und alles, was
sich unter „Outdoor“ zusammenfassen
lässt, wird in Zukunft „ein großes Thema“,
meint der Tourismus-Experte.
Je mehr Menschen in den Städten
leben, desto mehr sehnen sie sich nach
Ursprünglichkeit und Wildnis, glaubt auch
Bosshart. Die Rückkehr zur Agrikultur sei
mehr als nur temporäre Romantik. „Land-
wirtschaft hat einen stark sozialen Aspekt,
da geht es um Landschaftspfl ege und
Landschaftserhaltung. Meiner Meinung
nach haben rurale und alpine Lebenssti-
le die Chance auf Neuinterpretation.“ Die
Renaissance der Tracht in der Mode oder
der anhaltende Erfolg der Volksmusik sei-
en Beispiele dafür.
Für eine Revitalisierung des alpinen
Lebensstils brauche es Mythen und tief
verwurzelte Vorstellungen, neue Symbo-
lik und Rituale, die die Sehnsuchtsfelder
der Menschen befüllen, und die bewusste
Kapitalisierung von Gegentrends. in einer
globalisierten, ärmeren, unsicheren und
wärmeren Welt zählt das Kleine, Reiche,
Sichere und Kühle. Einen weiteren Me-
gatrend für den Alpentourismus ortet
„Landwirtschaft hat einen stark sozialen Aspekt, da geht es um Landschaftspfl ege und Landschaftserhaltung. Meiner Meinung nach haben rurale und alpine Lebensstile die Chance auf Neuinterpretation.“DAVID BOSSHART, TRENDFORSCHER
„Wir stehen im Sommer in einer viel intensiveren Konkurrenzsituation als im Winter.“HUBERT SILLER, LEITER DES MCI-STUDIENGANGS TOURISMUS UND FREIZEITWIRTSCHAFT
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14 SAISON
BERGSOMMER
Medizin tri� t Tourismus Gesundheitsurlaub im Luxushotel, Rehabilitation in der Kuranstalt, Behandlung in der privaten Tages-klinik – die Angebotspalette im medizinischen Gesundheitstourismus in Tirol ist vielfältig, das Poten-zial noch nicht erschöpft. Experten wünschen sich Professionalisierung und wissenschaftliche Beglei-tung statt Wildwuchs. Ein Streifzug durch das Land.
VON JANE K ATHREIN
M anchmal sind es kleine
Ideen, die die größten
Kreise ziehen. Andreas
Wieser übernahm vor
26 Jahren in Lans ein bestehendes Hotel,
baute es um und entwickelte mit dem Lans
Med Concept eine starke Marke – lange
bevor der Begri� Gesundheitstourismus
hierzulande modern wurde. Inzwischen ist
das Gesundheitszentrum Lanserhof euro-
paweit führend in der Regenerations- und
Präventionsmedizin und wurde mit dem
„European’s Best Medical Resort Award
2010“ ausgezeichnet. Das Lans Med Con-
cept ist eine Symbiose aus Spitzenmedizin,
Naturheilkunde, anerkannten Therapie-
verfahren, neuesten wissenschaftlichen
Erkenntnissen und der Urlaubsatmosphäre
eines Luxus-Hotels. Es beruht im Kern auf
den Erkenntnissen des österreichischen
Arztes und Pioniers F. X. Mayr, der in der Ent-
giftung, Entschlackung und Endsäuerung
des Körpers die Chance zu seiner Heilung
sah. Die Ärzte und Therapeuten sind mit
Kompetenzen des Lifecoaching ausgestat-
tet und so besteht im Urlaub die Chance,
den Lebensstil nachhaltig zu ändern.
Weltweites Netzwerk. Dass in die-
sem Heilungsprozess die Natur und der
Kraftort Lans eine zentrale Rolle spielen,
davon ist Wieser überzeugt. Und weil er an
die Wirkung von Kraftorten glaubt, will er
seine Ideen von Regeneration, moderner
Prävention und Heilung auch an andere
Orte tragen. Ein weltweites Netzwerk von
individuellen Gesundheitszentren soll
entstehen, geht es nach dem Wunsch der
Investorgruppe Harisch, Pletzer, Rutter,
Hager. Der erste Schritt ist gesetzt. Der
nächste Lanserhof könnte schon bald
in Marienstein am Tegernsee wachsen.
Das dafür geeignete Grundstück, einen
früheren Golfplatz, hat Investor Christian
Harisch bereits gefunden.
Inzwischen richten sich alle Augen
nach Hamburg, wo in den kommenden
Monaten ein Citypoint erö� net. Ein am-
Urlaub als Chance zur LebensstiländerungDer Visionär Andreas Wieser setzte vor 26 Jahren auf eine Nische. Inzwischen ist das Gesundheitszent-rum Lanserhof europaweit führend in der Regene-rations- und Präventionsmedizin. Im kommenden Jahr wird in Hamburg ein Citypoint erö� net, ein zweiter Lanserhof soll am Tegernsee entstehen.
Kraftort Lans. In einer reizüberfl uteten Welt soll die Umgebung dem Menschen wieder
die Möglichkeit geben, er selbst zu sein. Das Gesundheitszentrum Lanserhof ist einge-bettet in eine einzigartige Naturlandschaft.
„Gesundheitsvorsorge und Rege-neration sind heute so wichtig wie noch nie. Und wer nachhaltig ge-sund ist, fühlt sich auch geistig fi t.“ ANDREAS WIESER, GESCHÄFTSFÜHRER GESUNDHEITSZENTRUM LANSERHOF
bulantes Therapiezentrum in der Stadt,
ohne Betten. Die Nachbetreuung, die
bisher vielfach über Telefoncoaching lief,
wird nun persönlicher. Der Mensch wird
weiterhin im Mittelpunkt stehen, versichert
Wieser. Den Gesundheitsurlaub in Lans
kann der Citypoint im neu renovierten
Gebäude der alten Postdirektion natürlich
nicht ersetzen, dafür muss der Gast die
etwas längere Anreise dann doch auf sich
nehmen. In Hamburg dreht sich alles um
die Gesundheit – Dermatologikum, Apo-
theke, gesunder Lebensmittelhandel und
Restaurant. Im Hinblick auf die Gästestruk-
tur des Lanserhofes ist die Hansestadt eine
gute Wahl. Immerhin 80 Prozent der Gäste
kommen aus Deutschland. ×
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15
A lois Schranz kann endlich
durchatmen. Der Auszug
aus der Stadt Imst ist ab-
geschlossen. Anfang Sep-
tember hat der neue Standort der medalp
im Gewerbegebiet Imst, direkt neben der
Autobahnraststätte erö� net – die erste
Tagesklinik mit Autobahnanbindung. Der
Zwölf-Millionen-Euro-Neubau umfasst
zwei Operationssäle, an die eine 24
Stunden überwachte Aufwachstation mit
25 Betten anschließt. Hier können alle
Verfahren der minimalinvasiven Chirurgie,
Band- und Knorpeloperationen sowie
Frakturbehandlungen durchgeführt wer-
den. Aber auch eine ambulante Rehabili-
tation bietet die neue medalp: darunter ein
Schwimmbad zur Unterwassertherapie.
Die neue medalp Imst wird weiterhin
als Tagesklinik geführt, eine Genehmigung
für den stationären Betrieb gibt es nicht.
Damit ist die maximale Aufenthaltsdauer
auf 24 Stunden beschränkt. Obwohl der
Wunsch nach einem stationären Betrieb
nach wie vor da ist. Durch Verträge mit
einigen „medical hotels“ in der Umgebung
der Tagesklinik ist jedoch gesichert, dass
sich Patienten dort zwei bis drei Tage nach
einer Operation erholen können. Auch die
Vorreiter im tagesklinischen Bereich
Zwei Freunde gründen vor zehn Jahren aus einer Laune heraus medalp. Inzwischen decken die privaten Tageskliniken an drei Standorten in Tirol den Großteil der Unfallchirurgie im tagesklinischen Bereich innerhalb Österreichs ab.
mittelfristige Versorgung der Patienten ist
garantiert, vor fünf Jahren wurde das Pa-
tientenportal my.medalp.com eingeführt.
OP-Bilder, Therapiemaßnahmen und Me-
dikationen können an jedem Ort der Welt
abgerufen werden. Das Echo im Ausland
ist groß. In Österreich hingegen noch eher
verhalten.
Hohe Eintrittshürden. Die Tages-
chirurgie sei in Österreich praktisch gar
nicht vorhanden, stellt Schranz klar. Das
hänge auch mit den Verrechnungsmoda-
litäten zusammen und mit den Bedarfs-
prüfungen – Eintrittshürden, die er in Tirol
als sehr hoch wahrnimmt. Neue Projekte
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Das Zentrum für ambulante Chirurgie und die Ordinationen der medalp Imst wur-den vor zehn Jahren erö� net. Zwei weitere medalp-Kliniken liegen im Ötztal und im Zillertal.
seien schwer durchzubringen und des-
halb liebäugeln die innovativen Köpfe der
medalp mit Standorten im Ausland und
den dort lockereren rechtlichen Rahmen-
bedingungen.
40 Prozent der Patienten, die an den
drei medalp-Standorten Imst, Sölden und
Mayrhofen behandelt werden, sind Tiroler.
50 Prozent kommen aus Deutschland, die
restlichen zehn Prozent verteilen sich auf
40 Nationen, darunter Ukraine, Rumänien
und Aserbaidschan. „Wir sind keine Ro-
sinenpicker, auch wenn uns das immer
vorgeworfen wird“, sagt Schranz. „In
der Ambulanz der medalp werden auch
Kassen-Patienten behandelt.“ ×
„Österreich ist im medizinischen Gesundheitstourismus nicht der Nabel der Welt, als den wir uns gerne sehen möchten. Im süddeut-schen Raum und in Bayern ist die Konkurrenz sehr stark.“ ALOIS SCHRANZ, GESCHÄFTSFÜHRER MEDALP
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An der Quelle
Aus der Not eine Tugend machen – die Kufsteiner Investoren-gruppe Künig entdeckt das früher als krebserregend geltende Edelgas Radon als Quelle für die Therapie von Rheumapatienten. Und erö� net in Umhausen nach Bad Häring das zweite Kurzentrum der Gruppe in Tirol.
Reha dahoam
In Münster gibt es seit diesem Sommer ein Reha Zentrum für Patienten mit neurologischen, Herz-Kreislauf- und Atemwegs-Erkrankungen. Rehabilitation wird hier nicht neu erfunden, Altbewährtes sehr wohl neu verpackt und kombiniert.
E inen idyllischeren Platz kann
man sich schwer vorstellen.
Am Waldrand im Nordosten
von Umhausen auf 1.031
Metern Seehöhe erö� net am 18. Sep-
tember die neue Anlage der Kufsteiner
Investorengruppe rund um Engelbert
Künig. Das radonhältige Wasser sprudelt
K linikum für Rehabilitation in
Tirol nennt sich das Reha
Zentrum in Münster, das
binnen eineinhalb Jahren
auf der grünen Wiese gebaut und vor zwei
Monaten erö� net wurde. Kostenfaktor:
36 Millionen Euro. Im Juli lief der Betrieb
mit 150 Patienten an. In den kommenden
Monaten wird die Auslastung auf 250 Pa-
tienten erweitert.
Rund 220 Mitarbeiter, darunter
56 Physiotherapeuten, werden sich um
die 120 Patienten der neurologischen
Rehabilita tion, 75 Herz-Kreislauf-Patienten
und 55 Patienten mit Lungenbeschwerden
bemühen. „Bislang nahmen die Tiroler um
Naturfango, Heilmassage, Radonwannenbad, GammaSwing (im Bild) – das Therapieangebot im Kurzentrum Umhausen ist ganzheitlich ausgerichtet.
in Umhausen aus zwei Tiefenbrunnen,
ein Teil davon wird dem Kurbetrieb zur
Verfügung stehen. Das für 20 Millionen
Euro errichtete Vier-Sterne-Kurzentrum
gilt nach dem Stuiben-Wasserfall und
dem Ötzidorf als der Pull-Faktor für die
Gemeinde Umhausen. Neben den 27
Therapeutenstellen im Ganzjahresbetrieb
wurden 75 neue Arbeitsplätze geschaf-
fen. Im Sog des Kurzentrums sollen auch
Nahversorger, Ka� eehäuser und Hotels
aufblühen, denn um eine Kur zu machen,
muss man nicht unbedingt im Kurzent-
rum wohnen.
Heilkraft bei Rheuma. Sorgte das
Edelgas Radon noch in den 1990er-Jahren
wegen seiner angeblich krebserregenden
Wirkung national und international für
negative Schlagzeilen, ist seine Heilkraft
seit 2004 wissenschaftlich anerkannt. Bei
punktueller medizinischer Anwendung
zwei Drittel weniger stationäre Rehabili-
tation in Anspruch als der österreichische
Durchschnitt. Das wird sich mit der wohn-
ortnahen Reha-Versorgung ändern“, ho� t
Landesrat Bernhard Tilg. „Reha dahoam“
ist damit nicht mehr länger nur ein Schlag-
wort in Tirol. Laut einer Erhebung würden
80 Prozent der Patienten auf eine Reha-
Phase im eigenen Bundesland besonderen
Wert legen. Diesen Wunsch können sie
sich jetzt erfüllen.
„Einzigartig und erstmalig“. Um
die optimale Versorgungskette für die Pa-
tienten zu sichern, wird es eine enge Zu-
sammenarbeit mit den niedergelassenen
Ärzten und den Akut-Krankenhäusern ge-
ben. Das heißt, Ärzte der Klinik Innsbruck
werden auch im Reha Zentrum Münster
tätig sein. Laut Univ.-Prof. Dr. Otmar
Pachinger, geschäftsführender Direktor
des Departments für Innere Medizin der
Uniklinik Innsbruck, „ist diese Form der Ko-
operation eines kardiologischen Zentrums
mit einem Reha Zentrum einzigartig und
erstmalig in Österreich“.
„Wir sehen uns als Hilfesteller im
Genesungsprozess. Das beinhaltet nicht
nur die Behandlung körperlicher Sym-
„Im Unterschied zur Therme in Längenfeld ist das Umhausener Kurzentrum ein Kurbetrieb mit Kurmedizinern und keine Wellnessanlage.“ ENGELBERT KÜNIG, GESCHÄFTSFÜHRER DER KURZENTREN
entfaltet Radon vor allem bei Rheuma
eine heilsame Wirkung, wird aber auch
bei der Behandlung von degenerativen
Wirbelsäulen- und Gelenksbeschwerden
sowie Erkrankungen der Haut und Atem-
wege eingesetzt.
„Wir sind kein Wellnesstempel“,
stellt Eike Richter, Marketingleiter der
Kurzentren Umhausen und Bad Häring,
die sich mit sechs weiteren zur Gruppe
der Kurzentren zusammengeschlossen
haben, klar. Die medizinische Therapie
steht im Mittelpunkt. Neben Radonan-
wendungen wird ein breites Spektrum
an Therapien geboten: Elektrotherapie,
Massage, Bäder, CO2-Therapien sowie
Fango- und Mooranwendungen. Die 206
Betten sind bereits jetzt gut gebucht. Da-
her werden schon im ersten Jahr 60.000
Nächtigungen erwartet, das entspricht ei-
ner Auslastung von 90 Prozent. Einzugs-
gebiet der Gäste: Vorarlberg, Salzburg,
Südtirol, Bayern, Baden-Württemberg
und Tirol. „Der Trend geht eindeutig in
Richtung 10-Tages-Aufenthalt, der privat
fi nanziert wird“, berichtet Eike Richter.
Immer mehr Menschen gönnen sich eine
Gesundheitswoche, vor allem auch weil
Kuraufenthalte von den Krankenkassen
immer seltener genehmigt werden. ×
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„Eine Gratwanderung“
Die Chance für den Tiroler Tourismus liegt in der Profi lierung als Gesundheitstourismusanbieter. Regionsspezifi sch und segmentiert, nicht pauschal. Und vor allem wissenschaftlich fundiert. Ein Ge-spräch mit Dr. Wolfgang Schobersberger.
SAISON: Herr Dr. Schobersber-ger, ist der Kunde im Gesund-heitstourismus noch Urlauber oder schon Patient? WOLFGANG
SCHOBERSBERGER: Das ist eine be-
rechtigte Frage. Der Kunde als Urlauber
interessiert sich für den konventionellen
Gesundheitstourismus, während sich der
Patient einer strengen Therapie unterzieht,
einhergehend mit Verboten. Verbieten Sie
dem Urlauber etwas, wird er nicht wieder-
kommen, daher ist es eine Gratwanderung,
das Thema Krankheit in den Urlaub zu
holen. Die Chance für den Tiroler Touris-
mus liegt aufgrund der naturräumlichen
Gegebenheiten klar in der Profi lierung als
Gesundheitstourismusanbieter, allerdings
regionsspezifi sch und segmentiert, nicht
pauschal. In den Gesundheitszentren steht
die Medizin im Vordergrund, in den Hotels
die Gesundheit. Der Urlaub ist an beiden
Orten eine Chance zur Lifestyleänderung.
Operieren im Krankenhaus, schlafen im Hotel. Steht der „Medical Tourism“ vor ei-ner neuen Entwicklungsstufe? Das ist eine
Frage des Marketings und der Finanzierbar-
keit. Im Rahmen einer Tagung zum Thema
„Medical Tourism“ war ich in einem Privat-
spital in Puket in Thailand untergebracht,
das wie ein Hotel geführt wurde. Einige
private Kliniken in Tirol haben Verträge mit
Hotels abgeschlossen, die Rekonvaleszenz
geschieht dort.
Wo sehen Sie noch Potenzial für den Gesundheitstourismus in Tirol? Es macht
sicher keinen Sinn, wenn jetzt alle Hoteliers
auf dieses Segment aufspringen. Öster-
reich kann im Preis-Leistungs-Vergleich
nicht mit Ungarn oder Thailand, beides
Länder, in denen Medical Tourism stark
nachgefragt wird, mithalten. Als Betriebe
wie der Lanserhof auf den Markt kamen,
war der Gesundheitstourismus noch nicht
erfunden. Es wird zwar immer Prominente
geben, die sich einer Behandlung unterzie-
hen, das ist aber nicht die Masse. Qualität
und Positionierung müssen stimmen. Den
Gesundheitstourismus in Tirol sehe ich auf
einem hohen Niveau, nicht in extremen
Nischen. Interessant ist die immer jünger
werdende Zielgruppe: um die 30 Jahre alt
und von Burnout geplagt.
Ist Medical Wellness das neue Wellness? Wellness war ein schwammiger Begri� , Me-
dical Wellness ist schon leichter defi nierbar,
die Therapiemaßnahmen müssen medizi-
nisch begleitet und wissenschaftlich fundiert
sein. Dieser Kunde hat höhere Ansprüche. Es
reicht nicht, wenn der Gemeindearzt ein-
mal in der Woche für eine Sprechstunde im
Hotel vorbeischaut. Deshalb werden auch
nicht 500 Betriebe in Tirol medizinischen
Gesundheitstourismus nachhaltig anbieten
können. Das Angebot muss klar strukturiert
und authentisch sein.
Wie sieht es mit Qualitätsstandards im Gesundheitstourismus aus? Die meisten
Zertifi zierungen betre� en den technischen
und daher nachvollziehbaren Bereich: Be-
wertet werden die Qualität der Einrichtung,
der Zimmer, der Ernährung, … Die Qualität
des Personals einzuschätzen und die Nach-
haltigkeit der Behandlungen zu überprüfen,
ist schon schwerer. Dafür muss es eine enge
Zusammenarbeit zwischen Touristikern und
Wissenschaftlern geben und zwar nicht nur
in der Grundlagenforschung. Denn eines
dürfen wir nicht vergessen, der Gast, der
wegen einer medizinischen Behandlung
nach Tirol kommt, folgt der Mundpropagan-
da. Das klassische Wellness-Paket hingegen
wird vom Reiseveranstalter geschnürt.
Vielen Dank für das Gespräch. ×
Dr. Wolfgang Schobersberger ist Direktor des Institutes für Sport-, Alpinmedizin und
Gesundheitstourismus (isag).
17
ptome, sondern auch die Bewältigung
eines kritischen Lebensereignisses und
die Prävention von Folgeerkrankungen
durch Lebensstilmodifi kation“, ist Christian
Brenneis, Ärztlicher Direktor des Reha Zen-
trums überzeugt. Basis der Rehabilitation
ist eine hochwertige medizin-technische
Ausstattung. Neben der medizinischen
Trainingstherapie mit Kraft- und Ausdau-
ergeräten gibt es für die neurologischen
Patienten roboterunterstützte Therapie-
möglichkeiten. Die Medizintechnik allein
kostet 1,7 Millionen Euro. ×
Ein erfahrenes Team. Verwaltungsdirektor Christian Elzinger, Pfl egedirektorin Herlinde Hörmandinger und der ärztliche Direktor Dr. Christian Brenneis (von links)
18 saison
Bergsommer
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Sennerfamilie. Robin und Kristel Silberberger mit ihren beiden Kindern Elisa und Eva und Kuh Baronin vor dem Stall der Farnkaser Alm. „Die Kinder verstehen sich hier besser als zu Hause, weil sie mit weniger Spielzeug auskommen müssen.“
19
Sehnsuchtsort Alm Die junge Familie Silberberger verzichtet auf der Farnkaser Alm in der Wildschönau auf Hütten-Gaudi und sonstiges Remmidemmi, stattdessen gibt’s hausgemachtes Brot und Marmelade zusammen mit Almkäse und Speck von glücklichen Tieren. Vom ursprünglichen Almerlebnis könnte der Tourismus stärker profitieren.
Von Sonja K ainz
S chöner werd‘ ich nicht”, sagt
hüttenwirt robin silberber-
ger, nachdem er sich für die
Fotosession auf der alm ein
frisches hemd angezogen hat. erst vor
ein paar Minuten ist er von einer stunden-
langen suche nach einer seiner Kühe auf
der hochalm zurückgekommen. darüber,
dass es anstrengend war, kann auch seine
ausgesprochen gute Laune nicht hinweg-
täuschen.
der Tiroler verbringt bereits seinen
13. sommer als senn auf der 1.500 Me-
ter hoch gelegenen Farnkaser alm in der
Wildschönau. seine Frau Kristel und seine
Töchter eva (5) und elisa (3) begleiten ihn.
obwohl der name anderes vermuten lässt,
ist Kristel keine Tirolerin, sondern nieder-
länderin. Vor acht Jahren ließ sie die Groß-
stadt amsterdam und ihren Marketingjob
bei einem Zeitschriftenverlag stehen und
liegen und zog zu robin auf die alm. „am
anfang hab ich mir gedacht, okay, ein Jahr
probier ich es“, erzählt sie, mittlerweile ist
es ihr achter sommer. Zuerst sei es schon
eine große Umstellung gewesen. nicht nur,
weil sie ihre Familie und ihre Freunde hinter
sich gelassen hat. das schwierigste war
die sprache, sagt Kristel, die zwar deutsch
sprechen konnte, „aber wenn am abend
die Bauern aus der Umgebung vorbeige-
kommen sind und über ihre Kühe geredet
haben, hab ich kein Wort verstanden“.
Beleibte Hasen. Mittlerweile spricht
Kristel fließend Unterländer dialekt mit
niederländischem einschlag, wenn sie
den Gästen ein traditionelles almfrühstück
bringt – mit selbst gemachtem Bauern-
brot, almbutter, almkäse, hausgemachter
Marmelade und speck. Für diejenigen, die
später kommen, gibt‘s eine Jause.
dass das, was bei den silberbergers
auf den Tisch kommt, von glücklichen
Tieren stammt, davon können sich die
Besucher gleich selbst überzeugen. Wenn
man nach dem etwa einstündigen aufstieg
von der schönangeralm aus bei der urigen
sennerhütte ankommt, laufen dort nicht
nur hühner, sondern auch schweine und
ein kleines rudel ziemlich beleibter hasen
umher.
Von Juni bis september lebt die jun-
ge Familie auf der alm. der Tag beginnt
früh. „Um sechs Uhr klingelt der Wecker,
dann geht robin die Kühe holen, die
verbringen die nacht im Freien“, erzählt
Kristel. danach wollen die 29 Milchkühe
gemolken werden, was gut eineinhalb
stunden dauert. ihr Mann sei eigentlich
den ganzen Tag unterwegs. das Gebiet,
in dem die Kühe weiden, ist riesig. Für die
etwa 70 Tiere auf der hochalm müssen
außerdem immer wieder Zäune ausge-
bessert werden. Zwei Mal in der Woche
liefert robin mit dem Traktor die Milch
zur nachbaralm, wo sie dann weiterver-
arbeitet wird. seine Frau kümmert sich
um die Kinder und die Gäste, die für ein
almfrühstück vorbeigekommen sind.
Einfaches Leben. elisa und eva sind
gern auf der Farnkaser alm. „die beiden
verstehen sich hier besser als zu hause,
weil sie mit weniger spielzeug auskommen
müssen. Wenn sie dann einmal bei der oma
sind, reden sie über nichts anderes als über
die hasen, hühner und Kühe am Berg. „au-
ßerdem sind die beiden nie krank“, berichtet
ihre Mutter.
nichtsdestotrotz ist das Leben sehr
einfach. „seit einem Jahr haben wir strom“,
so die 38-Jährige. in der Küche steht ein
kleiner herd, auf dem Kristel die rühreier
fürs Frühstück in einer gusseisernen Pfanne
zubereitet, in der kleinen stube steht neben
dem massiven holztisch auch ein kleiner
elektroradiator. es kann nämlich auch im
sommer ziemlich kalt werden. „Zweimal im
sommer liegt hier mindestens schnee.“ sie
müsse sich schon jedes Jahr immer wieder
ein bisschen überwinden, wenn’s auf die
alm geht. das Positive überwiege aber bei
weitem. Vor allem die Zeit, die sie hier oben
zu viert haben, schätzt Kristel sehr.
Ort der Sehnsucht. die alm erlebt ge-
rade als sehnsuchtsort des stressgeplagten,
modernen Menschen eine art renaissance.
in dieser uralten Kulturlandschaft scheint
die Welt noch in ordnung zu sein.
13 Prozent der Landesfläche Öster-
reichs bestehen aus almen, mit rund
40 Prozent liegt der Löwenanteil der
almflächen in Tirol. in den vergangenen
Jahrzehnten hat ihr landwirtschaftlicher
stellenwert allerdings stetig abgenommen
und viele Bauern kehrten den almen den
rücken. der Tourismus könnte hier in die
Bresche springen.
„der Tourismus ist für die Bewirt-
schaftung der almen ein immer wichtigerer
Faktor geworden“, erklärt auch Franz Leg-
ner, Universitätsdozent an der Universität
für Bodenkultur in Wien. das interesse
von erholungssuchenden, den alm- und
Bergraum zu erleben, mit den dort leben-
den Menschen in Kontakt zu treten und die
hervorragenden Produkte wie almkäse und
almmilch zu genießen, steige sehr stark,
sagt Legner. hier könne es für beide seiten
„sehr gute synergieeffekte“ geben.
Für die Älpler ergibt sich durch die
Touristen eine zusätzliche einnahmequelle.
„die arbeit als senner oder hirte ist sehr
arbeitsintensiv“, erklärt Legner. Besonders
aufwändig sei das halten von Milchkühen.
im schnitt müsse pro Kuh und sommer mit
60 stunden arbeitszeit gerechnet werden.
Besonders in den östlichen Bundesländern
verschwindet diese Form der Tierhaltung
immer mehr. „Für mich sind aber gerade
die Kuh- und sennalmen die attraktivsten
almen“, sagt Legner. Und genau dieses
schöne Landschaftsbild schätzen die
meisten Menschen, wenn sie in die Berge
gehen, meint der almwissenschafter. 90
Prozent suchen gar nicht den Gipfel, son-
20
dern möchten einfach das naturerlebnis der
almen genießen.
Natürliche Aromatherapie. die
almen, wie wir sie heute kennen, sind erst
durch die intensive Bewirtschaftung der
Bauern mit ihrem Weidevieh entstanden.
sie sind also weniger naturlandschaft als
Kulturlandschaft. Wenn sie nicht mehr
gepfl egt und nicht mehr genützt werden,
wird sich die natur die ihr in Jahrhunderte
langer, mühevoller Knochenarbeit abge-
rungenen Flächen auch wieder zurück-
holen. „der Wald frisst das Gras“, meint
Legner. die Tendenz, dass immer mehr
almfl ächen zuwachsen, lasse sich ganz
klar erkennen. diese Flächen „verbuschen“
und „verwalden“.
dabei sind die positiven auswirkun-
gen der almen nicht zuletzt auf die Ge-
sundheit von Menschen und Tieren nicht
hoch genug einzuschätzen, meint Legner.
Wissenschaftliche Untersuchungen hätten
beispielsweise gezeigt, dass in einer see-
höhe von 570 Metern noch 100 Bakterien
pro Kubikzentimeter, bei einer seehöhe
von 1.861 Metern pro Kubikzentimeter nur
mehr acht und ab 4.000 Metern gar keine
mehr festzustellen sind. die bakterienfreie
Luft wirke wie eine natürliche aromathe-
rapie. der ionengehalt steige von 20 pro
Kubikzentimeter in Büroluft auf 20.000 im
almbereich.
Alm schmeckt. Gesund sind die almen
aber nicht nur für die Menschen, die sich
dort aufhalten, sondern auch für die Tiere,
die den sommer über auf der alm gehalten
werden. rund 56.000 Milchkühe produzie-
„Der Tourismus ist für die Bewirt-schaftung der Almen ein immer wichtigerer Faktor geworden.“
FranZ LeGner, UniVersiTÄTsdoZenT der UniVersiTÄT FÜr BodenKULTUr in Wien
ren rund 60 Millionen Kilogramm almmilch,
die zum Teil zu anderen Produkten wie Käse
und Butter weiterverarbeitet werden. etwa
6.500 Tonnen Fleisch stammen jährlich von
almtieren, rechnet Legner vor. die haltung
auf der alm könne den Tieren ein längeres
Leben und eine höhere Leistungsfähigkeit
bringen. dabei beeinfl usse die selektive
nahrungsaufnahme der besten Gräser und
Kräuter nicht nur die Gesundheit des alm-
viehs positiv, sondern auch den Geschmack
von Milch und Fleisch. neben mehr Vitami-
nen und Mineral-Geschmackstoff en seien
auch die wertvollen omega-3-Fettsäuren
durch die Weidehaltung mit wenig Getreide-
beifütterung stark erhöht, führt Legner aus.
Von der heimischen Tourismus-
wirtschaft wünscht sich der experte, dass
beispielsweise vermehrt auf regionale
Bergbauern- und almprodukte gesetzt
wird. „es wird sehr viel mit der schönen
Landschaft geworben. das Gleiche könnte
man doch auch mit den regionalen Produk-
ten machen.“ das passiere derzeit bereits
beispielsweise in der Großarl-region in
salzburg. dort kaufe die hotellerie bevor-
zugt regional ein. „ich fi nde, das ist eine sehr
positive initiative.“
Almleben. Die Farnkaser Alm liegt auf 1.500 Metern. Nach einem etwa einstündigen Aufstieg wird man mit einem traditionellen Almfrühstück belohnt. Während Kristel auftischt, unterhalten ihre Töchter die Gäste mit Geschichten über die Hühner, die Hasen und die Schweine. Das Highlight für die Mädchen ist dann aber doch etwas weniger alm-typisch: das Trampolin hinterm Hühnerstall.
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ALMEN IN ZAHLENin Österreich gibt es laut der almstatistik der Bundesanstalt für Bergbauernfragen (BaBF) aus dem Jahr 2009 etwa 9.000 almen, davon liegt rund ein Viertel in Tirol, das damit mit 2.151 das almen-reichste Bundesland ist, deutlich vor salzburg mit 1.814. 13 Pro-zent, das sind 1,06 Millionen hektar, des österreichischen staats-gebietes sind von almen bedeckt, auch fl ächenmäßig hat Tirol mit 39 Prozent den größten anteil an den heimischen almfl ächen. Vergleicht man die Zahlen der vergangenen zehn Jahre, lässt sich feststellen, dass die almfl ächen insgesamt um rund fünf Prozent zurückgegangen sind. Besonders stark ist der rückgang bei den sogenannten niederalmen, die nicht höher als 1.300 Meter liegen. der gegenteilige Trend ist in allen Bundesländern bei den hochalmen zu beobachten. sie befi nden sich oberhalb von 1.700 Metern und nahmen in den vergangenen zehn Jah-ren leicht zu, besonders stark in salzburg und in der steiermark. Zurückzuführen ist dies neben almförderprogrammen auch auf den Tourismus.
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Franz Legner versteht, wenn mancher Tou-
ristiker neidvoll auf die salzburger almen
blickt, dabei seien diese von der struktur
her denen in Tirol sehr ähnlich. in salzburg
habe man das Potenzial der almen als
Tourismusfaktor einfach früher erkannt.
Wenn man beispielsweise nach salzburg
hineinfahre, sei das erste, was man sehe,
ein großes Plakat mit der aufschrift „Will-
kommen im almenland salzburg“. ×
22 SAISON
BERGSOMMER
„ Das Besondere ist die Vielfalt“
Alfons Parth, Wirt und Initiator des kulinarischen Jakobswegs im Paznaun, über Esskultur, die Vorzüge der Tiroler Küche und inakzeptable Fertiggerichte.
DA S INTERVIEW FÜHRTE S YLVIA A INE T TER .
S AISON: Herr Parth, wie ist es um die Tiroler Esskultur bestellt? ALFONS PARTH:
Schlecht! In der Gastro-
nomie kann die Tiroler Gerichte fast
niemand mehr richtig kochen. Das liegt
unter anderem daran, dass wir viele
Köche aus dem Ausland haben, die die
alten Tiroler Speisen oft gar nicht ken-
nen. Wer in Tirol ein gutes Gulasch essen
will, muss richtig danach suchen.
Auch die Bevölkerung hat größ-
tenteils kein Bewusstsein mehr für
gutes Essen – beim Einkaufen wird zu
sehr aufs Geld geschaut und zu wenig
auf die Qualität. Ein teures Auto zu fah-
ren, ist vielen wichtiger, als sich gut zu
ernähren.
Ist die Tiroler Küche heute noch alltags-tauglich? Ja, absolut. Es gibt genügend
Gerichte, die schnell zuzubereiten sind,
und die meisten lassen sich gut vorbe-
reiten oder aufwärmen. Es ist auch nicht
verboten, traditionelle Gerichte ein we-
nig zu modifi zieren. Oft wird beklagt, die
Tiroler Küche sei zu deftig. Aber gerade
im Winter, wenn es kalt ist, brauchen wir
nahrhaftes Essen – und natürlich, wenn
man Sport gemacht hat. Dann kann man
sich nicht nur von leichten, kalorienarmen
Gerichten ernähren.
Was ist das Besondere an der Tiroler Küche? Das Besondere ist die Vielfalt. Wir
sind nicht der Feinkostladen Europas, der
wir gerne wären. Außer im Sommer ist Ti-
rol ein karges Land, aber wir haben einige
gute Gemüsesorten und die besten Äpfel.
Unser großes Verdienst ist, dass wir aus
wenigen Produkten viel Unterschiedliches
machen können.
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Was fehlt in Tirol? Ein konstantes Ange-
bot hochwertiger Produkte. Probieren
Sie doch einmal, einen guten Speck zu
bekommen. Das ist sehr schwierig. Es gibt
sehr gute Produkte, die aber oft nicht an
den Endverbraucher gehen, sondern in
den Bauernfamilien bleiben.
Ist die Lebensmittelindustrie schuld am Verfall der Esskultur? Schuld ist nicht die
Lebensmittelindustrie, sondern es sind die
Leute, die schlechte Produkte kaufen. Die
Nachfrage bestimmt das Angebot: Würde
niemand billige Lebensmittel schlechter
Qualität kaufen, gäbe es mehr hochwer-
tige Produkte.
Spielen Regionalität und Saisonalität in der Gastronomie eine Rolle? Natürlich
spielt das eine Rolle! Aber im Winter tun
wir uns schwer: Die Gäste wollen das ganze
Jahr über frisches Obst und Gemüse ha-
ben. Für den Hotelbetrieb kaufen wir Pro-
dukte, die eine gute Qualität haben, und
die kommen leider nicht immer aus Tirol.
Wie kam es zu der Idee für den kulinari-schen Jakobsweg? Da gab es eine gute
Flasche Rotwein und ein gutes Gespräch
mit dem Landeshauptmann und einem
guten Freund. Uns ist aufgefallen, dass
es auf den meisten Hütten keinen guten
Wein und auch kein besonders gutes
Essen gibt. Dabei ist es gleich teuer und
aufwändig, eine gute Flasche Wein auf
die Hütte zu bringen wie eine schlechte
Flasche Wein. So entstand die Idee des
kulinarischen Jakobswegs. Wir haben
dann noch Eckhard Witzigmann ins Boot
geholt, der von Beginn an von der Idee
begeistert war und als Botschafter einen
sehr guten Job macht.
Was stimmt denn mit dem Essen auf den Hütten nicht? Das Essen auf den Hütten ist
sehr verbesserungswürdig – allein schon
das Angebot. Toast Hawaii, Frankfurter mit
Pommes und Fertig-Cocktailsauce sind
Standard auf den Hütten. Wir wollen die
Wirte dazu bringen, wieder traditionelle
Gerichte zu kochen. Einmal richtig gute
Kasspatzln auf einer Hütte essen – das
möchte ich gerne!
Welche Gerichte werden denn beim ku-linarischen Jakobsweg angeboten? Wir
haben ja Köche aus unterschiedlichen
Ländern für den kulinarischen Jakobsweg
gewonnen, die bringen auch ihre Esskul-
tur mit. Aber natürlich legen wir Wert auf
traditionelle Küche. Die Köche dienen als
Botschafter und mit ihrer Hilfe können wir
neue Gäste aus den unterschiedlichsten
Herkunftsmärkten gewinnen. Aber selbst-
verständlich werden auch heimische Pro-
dukte angeboten. Bisher wird der kulina-
rische Jakobsweg gut angenommen. Das
beste Feedback ist, wenn die Hüttenwirte
zufrieden sind.
Welche Zielgruppe fühlt sich da ange-sprochen? Die Zielgruppe ist unendlich
und beschränkt sich nicht nur auf ältere
Gäste, wie man meinen könnte. Kochen
und gute Küche sind modern – was auch
auf den Kochshow-Boom zurückzuführen
ist. Diese Shows haben mehr Einfluss auf
die Esskultur, als man denkt. Wenn zum
Beispiel Tim Mälzer auf einer unserer
Hütten kocht, interessiert das auch viele
junge Leute.
Die österreichische Küche wird oft mit der Wiener Küche gleichgesetzt – kann sich Tirol hier abgrenzen? Wir können
ja nicht verleugnen, dass auch wir dem
böhmisch-mährischen Einfluss unterlie-
„Kochen und gute Küche sind modern – was auch auf den Kochshow-Boom zurück-zuführen ist..“ALFONS PARTH
Patriotisch: Im hauseigenen
Keller liegen hauptsächlich
österreichische Weine.
24
KULTUR IN TIROLEssen ist nicht nur Nahrungsaufnahme, sondern ein Teil der Alltagskultur. In der „Bergsommer Tirol“-Kampagne der Tirol Werbung werden Kultur und Kulinarik gemeinsam vermarktet. Angesprochen sollen „aufgeschlossene Junge und Junggebliebene“ werden, „deren Bedürfnis nach Genuss und Authentizität wir beispiels-weise mit speziell ausgearbeiteten Genuss-routen oder Kultur.Tirol-Veranstaltungen stil-len“. Derzeit beeinfl ussen Kultur und Esskultur die Reiseentscheidung der Tirol-Urlauber nur zu einem geringen Teil, aktuelle regiona-le Studien gibt es jedoch nicht. Österreichweit nennen 13 Prozent der Gäste kulturelle Veran-staltungen als Reisegrund (T-Mona 2008). Bereits in den vergangenen Jahren hat sich in Tirol im kulturellen Bereich einiges getan, das sich nun vermarkten lässt: Neben größeren Veranstaltungen wie dem Innsbrucker Tanz-sommer, den Festwochen der Alten Musik, den Festspielen Erl und den Klangspuren Schwaz spielen auch kleine regionale Veranstaltungen eine wesentliche Rolle. Dazu kommen zahlrei-che Museen und Galerien – das neueste, das umstrittene Tirol-Panorama am Bergisel, ver-zeichnete in den ersten beiden Monaten nach der Eröff nung bereits 50.000 Besucher.
gen. Das fängt beim Kaiserschmarrn an
und hört beim Topfenknödel auf. Diese
Einfl üsse sind auch wichtig. In Tirol müs-
sen wir darauf achten, dass wir unsere re-
gionalen Gerichte wieder in guter Qualität
anbieten. Ein richtig guter Speckknödel in
einem Gasthaus – das wär schon was.
Wo liegen unsere vergessenen kulina-rischen Schätze? In der Einfachheit. Bei
einem guten Gröschtl, das es leider ganz
selten irgendwo gibt. Meistens werden
Wurstreste hineingeschnitten, die darin
nichts zu suchen haben.
Sie kennen sich weltweit in der kulinari-schen Szene gut aus. Welches Land hat sie in puncto Esskultur besonders beein-druckt? Das Baskenland. Sie haben den
Mut gehabt, ihre Küche autark zu führen
und weltweit zu vermarkten. Zusätzlich
haben sie eine Kunstszene etabliert, die
ein intellektuelles und wohlhabendes
Publikum anzieht. Kultur und Esskultur
sind eng miteinander verbunden. Kunst-
interessierte Gäste legen häufi g auch
Wert auf qualitätvolles Essen. Tirol hat
es versäumt, diese beiden Bereiche zu
fördern. Im Baskenland gibt es eine un-
vergleichliche Dichte an Sterneküchen,
Tiroler Gastronomie kommt im Michelin
nicht einmal vor.
Spielen denn die Gastroführer eine so große Rolle? Die internationalen Gastro-
führer sind sehr wichtig. Gäste, die Wert
auf Kulinarik legen, orientieren sich nach
ihnen – und sie sind ein Kriterium für die
Wahl des Urlaubsortes. Tirol kann hier
nicht mitspielen, das beginnt schon da-
mit, dass wir zu billig sind – sowohl bei
den Nächtigungen als auch in der Gas-
tronomie. Gute Qualität hat eben ihren
Preis. Treue Gäste sind bereit, den auch
zu bezahlen. Käme Tirol im Michelin vor,
hätte das spürbare Auswirkungen auf die
Gästestruktur. Wichtig wäre, ein Drei-
Sterne-Restaurant zu haben – denn das
zieht Gäste an.
Was ist in einer Hotelküche inakzeptabel?
Fertiggerichte. Es muss nicht immer Hau-
benküche sein, ein guter Koch kann auch
aus einem einfachen Lebensmittel ein
gutes Gericht kochen. Aber Fertiggerichte
haben in einer Hotelküche nichts verloren.
Schmecken die Gäste den Unterschied?
Oft fällt ihnen die schlechte Qualität eines
Gerichtes nicht auf – außer sie haben den
direkten Vergleich. Bei Fertigprodukten
ist es ähnlich: Viele haben sich bereits
an Aromen und Geschmacksverstärker
gewöhnt und können mit frisch zuberei-
tetem Essen nicht mehr so viel anfangen.
Für andere Menschen gehört gutes Essen
zum Urlaub und beeinfl usst die Reiseent-
scheidung. Die fahren nur an Orte, bei de-
nen sie wissen, dass sie auch hochwertige
Produkte bekommen.
Was wünschen Sie sich für die Kulinarik in Tirol? Dass wir unser Potenzial aus-
schöpfen und so die Gäste anlocken, die
Wert auf gutes Essen legen. Kulinarik lässt
sich gut vermarkten, vor allem jetzt im
Moment. Sich einen guten Ruf zu erarbei-
ten, ist aber ein langer Weg und bedeutet
auch viel Arbeit.
Vielen Dank für das Gespräch. ×
hinten: Tim Mälzer, Restaurant Bullerei, Hamburg; Alex Clevers, Restaurant Vivendum, Dilsen-Sokkem;
Marcello Leoni, Restaurant Leoni, Bologna;vorne: Niven Kunz, Restaurant Niven, Rijswijk;
Martin Sieberer, Restaurant Paznauner Stube, Ischgl
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HO� Inserat Saison September 2011 210x280mm-final.indd 1 23.08.2011 8:33:48 Uhr
26 SAISON
BERGSOMMER
K rise? Von wegen: Wenn es
eine Branche gibt, die in den
vergangenen Jahren Stabi-
lität bewiesen hat, dann sind
das die Outdoor-Hersteller. Vom Trek-
kingschuh über den Klettergurt bis hin zur
Softshelljacke. Produkte für Naturburschen
und solche, die es noch werden wollen, er-
freuen sich ungebrochen reißenden Absat-
zes. Im Juli traf sich die Branche anlässlich
der internationalen Fachmesse „OutDoor
2011“ in Friedrichshafen am Bodensee. Die
Stimmung war, wie schon in den Jahren
zuvor, euphorisch: Sportartikelkonzerne
freuen sich trotz schwächelnder Wirtschaft
über Zuwachsraten und Rekordgewinne im
Outdoorbereich.
Den Stellenwert des Marktseg-
ments Outdoor unterstreicht wohl am
besten der Besuch des adidas-Vor-
standsvorsitzenden Herbert Hainer am
Messestand der Konzerntochter „Global
Outdoor adidas“. Hainer zeigte sich be-
geistert von der Aufbruchsstimmung auf
Europas größter Branchenveranstaltung.
Während der jüngsten Krisenjahre war der
Outdoorbereich das einzige Segment im
Adidas-Konzern, das weiterhin zweistelli-
ge Zuwachsraten verzeichnen konnte.
Trend zum Naturerlebnis. Von
dieser positiven Stimmung sowie dem
anhaltenden Trend hin zum Naturer-
lebnis für sportlich Aktive kann und soll
auch der heimische Tourismus profi tieren.
Denn der Schlüssel zur erfolgreichen
Sommersaison ist der Aktivurlaub mit
Outdoor-Angeboten. Darin sind sich
Tourismusexperten einig.
Rainer Schultes, Obmann des Tou-
rismusverbandes Pitztal und Chef des
auf Outdoor-Sport spezialisierten Alpin
Center Hochzeiger, setzt große Stücke auf
den sportlich-aktiven Sommergast: „Die
Nachfrage steigt stetig und ich bin über-
zeugt, dass im Bereich Outdoor noch viel
Potenzial für den Tiroler Sommertouris-
mus liegt.“ Schultes ist bereits vor sieben
Jahren mit seinem Betrieb ins Outdoor-
Geschäft eingestiegen. Er hat damals er-
kannt, dass es eine Schnittstelle, eine Art
Vermittler braucht, der den Gast und das
Angebot verbindet. „Im Winter sind es die
Skischulen, die als Partner des Tourismus
den Gästen das Angebot näherbringen,
das sie suchen“, sagt Schultes. Im Som-
mer fehlt ein solcher Anbieter oft noch.
Denn für einen Tourismusverband ist es
kaum möglich, eigenständig ein umfang-
reiches Outdoor-Programm anzubieten.
Dazu bedarf es zusätzlichen und zugleich
spezialisierten Personals. „Wenn ein Gast
anruft, der sich für eine Bergtour im hoch-
alpinen Gelände interessiert, ist das mehr
als nur eine Zimmeranfrage. Da braucht es
am anderen Ende der Leitung jemanden,
der sich mit diesem Thema auskennt, der
professionelle Beratung bieten kann“, er-
klärt Schultes den Gedanken hinter seiner
Geschäftsidee.
Sein Alpin Center Hochzeiger
fungiert heute in einer Doppelrolle. Zum
einen bietet Schultes im „Kernbereich“
seines Unternehmens eigene Leistungen
an, die er zum Teil im Auftrag des Touris-
musverbandes im Programm hat. Unter
die Aktivitäten im Auftrag des TVB fallen
vor allem die regelmäßigen Gästeange-
bote wie etwa die geführten Mountain-
bike-Touren und Wanderungen oder das
Kinderprogramm für alle Altersstufen.
Daneben hat das Alpin Center Hoch-
zeiger mit seinem Abenteuerpark oder
den Kletterkursen Eigenveranstaltungen
im Programm. Und letztlich fungiert
Schultes‘ Betrieb auch als Vermittler auf
Provisionsbasis: „Rafting oder Canyoning
bieten wir nicht selbst an, sondern ver-
mitteln Gäste an lokale Anbieter weiter.“
Alle Outdoor-Aktivitäten allein anzubieten
sei für ein einzelnes Unternehmen kaum
machbar und wirtschaftlich nicht sinnvoll,
begründet Schultes diese unterschiedli-
chen Strukturen hinter den Angeboten.
Konzept geht auf. Die Area 47 am
Eingang zum Ötztal tut es dennoch. Hier
wird dem Gast auf einem Flecken ein na-
hezu allumfassendes Outdoor-Angebot
bereitgestellt: vom Wasserpark bis zum
Fallschirmspringen. Und das Konzept geht
voll auf, wie Geschäftsführer Hans Neuner
sagt: „Wir sind seit Juni ausgebucht, trotz
dem Wetter.“ Outdoor- und Aktivurlaub sei
eben weltweit ein Riesenboom, so Neu-
ner: „Doch Tirol hat auf diesem Segment
in den vergangenen Jahren den Fehler
gemacht, sich zu schlecht zu verkaufen.“
In Neuseeland oder Australien habe man
schon vor Jahren erkannt, dass der aben-
teuersuchende Gast die Zukunft ist. Selbst
Interlaken in der Schweiz habe das lange
vor Tirol erkannt und mit entsprechenden
Angeboten darauf reagiert.
„Auch wenn sich das für manche nicht gut anhören mag, aber wir brauchen im Outdoor-Bereich in erster Linie massentaugliche Sport-arten, um davon touristisch profi -tieren zu können.“HANSI NEUNER, GESCHÄFTSFÜHRER AREA 47
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Modernen Eskapismus touristisch nutzenDer Sommer in Tirol ist ausbaufähig. Das Zauberwort lautet dabei: Outdoor. Denn sportliche Gäste bringen gutes Geld und sind wetterfest. Aber nur, wenn auch das Angebot stimmt.
VON S TEFFEN AROR A
Spielwiese für Große. Die Area 47 bietet Out-doorspaß für jeden Ge-schmack. Wichtig dabei: Die Sportarten müssen massentauglich sein.
Kompetente Beratung rund um Aus- und Weiterbildung
im Tourismus – einfach – schnell – kostenlos:
Telefon: 05 90 90 5 - 1215
E-Mail: [email protected]
Internet: WKO.at/tirol/tourismus
Zum Touristiker geboren?
28
Um am Outdoor-Sektor erfolgreich zu
sein, müsse man sich in die Lage des
Gastes versetzen, ist Neuner überzeugt:
„Wir müssen die Urlaubsbedürfnisse
der Leute zu 100 Prozent stillen. Rafting
allein ist dabei zu wenig. Es braucht ein
umfassendes, reichhaltiges Angebot für
die ganze Familie.“ Auch Rainer Schultes
aus dem Pitztal hat die „ganze Familie“
als primäre und lohnende Zielgruppe für
Outdoor-Angebote ausgemacht: „Bis vor
drei Jahren haben Eltern und Kinder im
Urlaub meistens getrennt voneinander
Programm gemacht. Heute ist das an-
ders.“ Die meisten Familien wollen im
Urlaub Zeit zusammen verbringen, statt
getrennt voneinander.
Ein gemeinsames Naturerlebnis in
Form einer Outdoor-Aktivität ist genau
das, was viele Familien suchen. Im Alltag
zu Hause bestimmen Beruf und Schule
das Leben. Die Familien sehen sich kaum,
die Menschen fühlen sich in ihren Städ-
ten und modernen Ballungszentren wie
Gefangene. „Die wollen da raus“, ist sich
Neuner sicher. Der Urlaub wird so zum
Ausbruch, zum modernen Eskapismus. Das
gemeinsame Erlebnis in der Natur, fernab
des streng geregelten Alltags, wird so zum
Mittelpunkt eines gelungenen Familienur-
laubes. „In unserem Hochseilpark erleben
wir regelmäßig, wie befreiend solche Akti-
vitäten für die Gästefamilien sind und wie
wohl sie sich dabei fühlen“, sagt Schultes.
Actionreiche Angebote. Auch Hans
Neuner begrüßt in der Area 47 auff allend
viele Familien, die hier gemeinsam Spaß
und Abenteuer suchen. Überhaupt sei
die Zielgruppe für Outdoor-Angebote in
den vergangenen Jahren immer größer
geworden: „Wir hatten allein heuer schon
125 Schulklassen hier.“
Für den Pitztaler TVB-Chef und
Freizeitunternehmer Schultes ist die Ju-
gend eine wichtige Zielgruppe, die mittels
durchdachtem Outdoor-Angebot wieder
für Tirol begeistert werden soll: „Bei den
14- bis 25-Jährigen müssen wir besonders
aufpassen. In dieser Zielgruppe verlieren
wir viele Gäste.“ Actionreiche Angebote
wie Downhill-Mountainbiking seien ge-
nau das, was diese jungen Leute suchen.
Zugleich warnt aber Area-47-Chef Neu-
ner davor, nicht zu sehr auf Nischensport-
arten zu setzen: „Auch wenn sich das für
manche nicht gut anhören mag, aber wir
brauchen im Outdoor-Bereich in erster
Linie massentaugliche Sportarten, um
davon touristisch profi tieren zu können.“
Nischensportarten wie Downhill-Moun-
tainbiking seien hingegen gut für das
Image. Und, was Neuner aus aktueller
Area-47-Erfahrung weiß: „Bei solchen
Sportarten ist der Zuschauereff ekt nicht
zu verachten.“ Während sich kaum ein
Durchschnittsurlauber am Drahtesel
vertikale Downhill-Trails hinunterstürzen
wird, sind derlei Anlagen durchaus in der
Lage, gehörig Zuschauerinteresse bei
Veranstaltungen zu erzeugen und somit
der Region einen Imagegewinn zu ver-
schaff en.
Um die Bedeutung von Image in
Verbindung mit dem Outdoor-Boom weiß
auch Helmut Knofl ach, Produktgruppen-
leiter der Sparte Bergsport beim renom-
mierten Bergsportausrüster Stubai aus
Fulpmes. Denn der ganze Hype begann
letztlich mit einem Modetick der Städ-
ter, die modische Outdoor-Bekleidung
für sich entdeckten. Plötzlich sah man
immer mehr Menschen in Großstädten
mit hochwertigen Softshelljacken und
Trekkingschuhen namhafter Hersteller
umherspazieren. Mit der Zeit entdeckten
diese urbanen Alpinisten, dass ihre teu-
re Ausrüstung jedoch am besten in den
Bergen ihren Zweck erfüllt, schließlich
wurden die Produkte ursprünglich dafür
hergestellt. So wurden modebewusste
Städter zu Hobbybergsteigern und damit
Outdoor-Touristen.
Bei der Firma Stubai will man diese
Neo-Kraxler nun für hochwertige Aus-
rüstung wie Gurte, Helme und Karabiner
begeistern. „Wenn man den enormen
Boom betrachtet, den die Outdoor-
Bekleidungsindustrie erlebt hat, dann
lässt uns das als Ausrüster hoff en“, sagt
Knofl ach. Dabei setzt das Unternehmen
unter anderem auf Kooperationen mit
Partnern aus dem Tourismus – sei es in
Form von Ausrüstung, die für Kletterkurse
genutzt wird, oder gezielte Ausstattung
von Bergführern mit Produkten aus dem
Hause Stubai. Es geht dabei um den „Spi-
rit“, wie Knofl ach sagt: „Die Leute, die es
herstellen, die Tiroler, sollen das Produkt
„Die Nachfrage steigt stetig und ich bin überzeugt, dass im Bereich Outdoor noch viel Potenzial für den Tiroler Sommertourismus liegt.“RAINER SCHULTES, OBMANN TVB PITZTAL
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Abenteuer für die ganze Familie. Das gemeinsame Naturerlebnis steht auf der Urlauberwunschliste ganz oben, wie man im Pitztal weiß.
auch verwenden.“ Dadurch steige auch
die Glaubwürdigkeit gegenüber den
Gästen, die letztlich als Kunden gewon-
nen werden sollen. Immerhin macht die
Firma Stubai 70 Prozent ihres Umsatzes
mit Export.
Impuls für die Sommersaison. Gerade in den Bereichen Klettern und
Bergsteigen sieht man in den Fabrikhallen
in Fulpmes noch „viel Luft nach oben“.
Nicht zuletzt am lokalen Markt, etwa bei
Klettersteigen, welche als Alpen-Spezifi-
kum gelten. „In den USA gibt es vielleicht
eine Handvoll Klettersteige, denn dort ist
das rechtlich schwer möglich. Auch in an-
deren Gebirgsregionen gibt es das kaum.
Das ist ein alpenländisches Phänomen mit
viel Potenzial.“ Die speziell auf Kletterer
abgestimmte Online-Plattform „Climbers
Paradise“ der Tirol Werbung, bei der Firmen
wie Stubai als Partner mit im Boot sind, ist
ein solches Beispiel für erfolgreiche Ko-
operation in der Vermarktung.
Die Touristiker erwarten vom Out-
door-Segment jenen Impuls, der in der
Sommersaison noch fehlt. „Der Sommer
in Tirol ist schwierig, nicht zuletzt wegen
des Wetters“, weiß Rainer Schultes. Ge-
rade spontane Kurzurlauber, deren Zahl
und Bedeutung zunimmt, machen ihre
Buchungsentscheidung in erster Linie
von Wetterprognosen abhängig. Wobei
Outdoor-Touristen wetterfester sind
als der Durchschnittsgast, wie Schultes
weiß: „Von denen können wir uns eine
Scheibe abschneiden, denn die jammern
meistens weniger übers Wetter als die
Einheimischen.“
Über Erfolg und Misserfolg Tirols
als Outdoor-Mekka für Sportbegeisterte
wird aber letztlich das vielfältige und qua-
litativ hochwertige Angebot entscheiden,
das den Gästen geboten wird. Denn, so
ist TVB-Pitztal-Boss Schultes überzeugt:
„Die Zukunft wird über Themen gespielt.
Der 18-Jährige will genauso wie der
65-Jährige ein Super-Mountainbike-
Erlebnis. Und wenn wir ihm das bieten
können, wird er wiederkommen und
andere mitbringen.“ ×
„Klettersteige sind ein öster reichisches Phäno-men mit viel Potenzial.“HELMUT KNOFLACH, STUBAI BERGSPORT
30 saison
Bergsommer
„�Das�Kind�steht��im�Mittelpunkt“
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4)
S AISON: Herr Mayer, wer sind die anspruchsvolleren Gäste: Kinder oder deren Eltern? eRnst MayeR: Die
anspruchsvolleren Gäste sind schon die
eltern – auch in Bezug auf Kinderpro-
gramm und -betreuung. Den Kindern
selber ist die hardware nicht so wichtig.
Das Wichtigste für sie sind noch immer
die anderen Kinder.
Wie entwickeln Sie Ihr Angebot weiter? im Prinzip ist das ganz einfach: Man
schaut, was den Kindern gefällt. alle
ideen, die wir umgesetzt haben, sind ur-
sprünglich von Kindern erdacht worden.
Zu denken, man sei selber noch Kind, ist
der falsche Weg.
Wie sieht es mit der Auslastung Ihres Betriebes aus? Wir haben eine sehr gute
auslastung. Das hotel alpenrose ist das
ganze Jahr über geöffnet und wir spüren
kaum Unterschiede zwischen haupt-
und nebensaison, weil der schwerpunkt
unseres angebots auf Kleinkindern liegt.
Die Gäste müssen das Gefühl haben, dass
die Kinder optimal aufgehoben sind, um
machen zu können, wozu sie selber lust
haben. etwa skifahren, Wandern, Gol-
fen – all das kann man mit Kleinkindern
ja nicht machen. entscheidend für eine
ganzjährige auslastung ist außerdem,
dass man mit der hardware im haus in der
lage ist, Wetter und Klima auszugleichen.
selbst wenn es eine ganze Woche regnet,
dürfen das die Kinder nicht merken.
Was unterscheidet das Hotel Alpenrose von anderen Anbietern? Viele clubs bieten
top-animation an, aber in letzter Konse-
quenz nicht die Garantie, dass mein Kind,
sogar mein Baby, von acht Uhr in der Früh
bis neun Uhr am abend betreut wird.
Wie haben Sie sich das Vertrauen der Gäs-te mit Babys und Kleinkindern erarbeitet?
Da steckt sehr viel Know-how, aber auch
wahnsinnig viel Manpower dahinter. Wir
haben momentan in der Kinderbetreuung
24 Mitarbeiter. Und zwar in erster linie des-
wegen, weil die Betreuung der ganz Kleinen
sehr aufwändig ist. Die einstellung, ein Kind
dürfe nichts kosten, geht an der Realität vor-
bei. hier müssen auch die Gäste umdenken.
Wie unterscheidet sich ein Familien-hotel abgesehen von der Infrastruktur von einem herkömmlichen Betrieb? Bei
uns steht das Kind im Mittelpunkt, aber
auch der erwachsene kommt auf seine
Rechnung: er kann Urlaub machen, wie er
sich das vorstellt, kann Dinge tun, die mit
einem Kleinkind nicht möglich sind. Der
Verwirklichung dieser Kombination ist alles
untergeordnet.
Ernst Mayer, Chef des führenden Kinderhotels Alpenrose in Lermoos, über die unterschiedlichen Ansprüche von Eltern und Kindern, die Spezialisierung auf Familien und den Irrglauben, ein Kind dürfe im Urlaub nichts kosten.
Da s IntervIew führte M at thIa s Kr apf.
31
Sie haben mit einer kleinen Pension be-gonnen und Ihren Betrieb seit 1994 suk-zessive zu einem 350-Betten-Haus aus-gebaut. Das Familien-Angebot allgemein ist in diesem Zeitraum ebenfalls enorm gewachsen. Warum? Früher hatten eltern
ganz andere ansprüche. Man hat gesagt:
„solange die Kinder ganz klein sind, fahre ich
nicht in Urlaub. später mache ich Familien-
urlaub und ordne mich den Wünschen der
Kinder unter.“ heute hingegen legen immer
mehr Gäste Wert darauf, dass sie selbst auch
nicht zu kurz kommen.
Geht der Trend zur Spezialisierung Ihrer Meinung nach noch weiter? Ist auch das Sport-Kinderhotel denkbar? Bestimmt
geht der trend weiter und das passiert ja
auch schon. innerhalb der Kinderhotels gibt
es bereits einzelne spezialisierungen – etwa
in den Bereichen sport, Pferde oder natur,
aber auch single mit Kind.
Welche Bedeutung hat die Angebots-gruppe der Kinderhotels für Ihr Haus?
Die Wichtigkeit erkennt man daran, dass
wir über keinen anderen Vertriebskanal als
die Kinderhotels verfügen. Wir arbeiten mit
keinen Reisebüros zusammen und machen
so gut wie keine Werbung außerhalb der
Kinderhotels.
Sehr exklusiv geht es off enbar bei den „leading family hotels“ mit bisher nur fünf Betrieben zu. Welche Idee steckt hinter diesem Zusammenschluss? Die „leading
family hotels“ sind aus den Kinderhotels he-
raus entstanden und bilden die Gruppe der
führenden Kinderhotels. Diese Gruppe soll
international Fuß fassen. Die ausbreitung
gestaltet sich aber sehr schwierig, weil es
keine bestehenden hotels gibt, die unsere
anforderungen erfüllen. eine der härtes-
ten dabei ist die Vorgabe: „nur Urlaub für
Familien“. ein bestehendes hotel müsste
auf alle anderen Buchungen verzichten.
Davor haben viele angst. Und dann muss
noch sehr viel Geld investiert werden. ein
„leading family hotel“ braucht eine gewisse
Größe, sonst rechnet sich die infrastruktur
nicht. Unter 35 Millionen euro kann man da
praktisch nicht bauen.
Wer sind im Sommer Ihre Konkurrenten? Ist das die Clubanlage in Antalya? es gibt
viele Billiganbieter, die sich Kinderhotel nen-
nen, aber in keiner Weise etwas mit uns zu
tun haben. es wurde leider verabsäumt, den
namen Kinderhotels schützen zu lassen,
und heute ist es nicht mehr möglich. Das
wird beinhart ausgenützt und viele Gäste
fallen – zumindest einmal – darauf herein.
Haben Sie als Kinderhotel Anforderungen an die Region oder sind Sie autark? im
Prinzip sind wir autark. Das hat damit zu
tun, dass sich das gesamte Konzept auf das
hotel konzentriert. Drei Monate im Jahr gibt
es bei uns kein Umfeld. Da hat keine hütte
und kein lift off en. Der Gast verbringt aber
ohnehin wenig Zeit außerhalb. Mit Kleinkin-
dern macht man eher keinen tagesausfl ug.
Und auch wenn die eltern allein etwas un-
ternehmen, bleiben sie in der nähe.
Eine auf Familien spezialisierte Region würde aber schon zusätzlich helfen, oder? es ist natürlich ein gewaltiger Vor-
teil, wenn eine Region anreize für Familien
und Kinder schaff t. in Österreich gibt es
dafür einige Beispiele – etwa serfaus, wo
der ganze ort von dem Konzept profi tiert,
weil man bereit war, sich auf Familien zu
konzentrieren und die Voraussetzungen
dafür zu schaff en. Das Wichtigste bleibt
aber das angebot im hotel selbst.
Was halten Sie von Attraktionen, die mit einem gewissen Spektakelwert auf Kin-der abzielen? Das bringt durchaus etwas.
Man muss die ganze Geschichte aber auch
leben und sich spezialisieren. am besten
ist es, wenn sich ein ganzer ort dazu be-
kennt und sagt: Wir sind ein Familienort
und wollen etwas für Familien tun, was
andere angebote auch wieder ausschließt.
absolut nicht funktioniert der Versuch,
alles abzudecken – von den Familien bis
zum après-ski.
Was sind die Stolpersteine auf dem Weg zu einem Familienhotel? Die größte Pro-
blematik ist, dass ein Familienhotel das
teuerste Konzept darstellt. Dessen muss
man sich als Unternehmer bewusst sein.
Wir haben aktuell bei 92 einheiten 135
Mitarbeiter – also mehr als ein 5-sterne-
hotel. Ganz einfach, weil der Urlaub
hauptsächlich im hotel stattfi ndet.
Vielen Dank für das Gespräch. ×
ZUR�PERSONernst Mayer ist eigentümer des hotels alpen-rose in lermoos, das zu den führenden auf Fa-milien mit Kindern spezialisierten Betrieben in Österreich zählt. ab Mitte der 90er-Jahre baute die Familie Mayer ihre Frühstückspension mit 35 Betten zum 4-sterne-superior-haus mit 350 Betten aus. Rund 40 Prozent der Gäste kom-men aus der schweiz, 40 Prozent aus Deutsch-land, der Rest ist international. Das hotel alpen-rose ist teil der Kinderhotels und der „leading family hotels“, die ernst Mayer mit initiiert hat.
www.hotelalpenrose.at
Kinderparadies: Jede Menge Spielgeräte, eine Hüpfburg, Pools, ein Kino und zahlreiche
weitere Einrichtungen lassen Kinderherzen höher schlagen. Aber auch in anderen Berei-chen des Hotel Alpenrose wird an die kleinen
Gäste gedacht.
„ Man muss die ganze Ge-schichte leben und sich spezia-lisieren.“eRnst MayeR
32 SAISON
BERGSOMMER
Erfolgskonzepte Der Tiroler Bergsommer wartet mit innovativen und zukunftsweisenden Tourismusideen auf. SAISON wollte von preisgekrönten Experten der Branche wissen, wo außerhalb Tirols bemerkenswerte Sommerangebote Gäste locken.
VON S TEFFEN AROR A
D er Jungfrau Marathon in
Interlaken ist schlichtweg
der Klassiker unter den
Laufveranstaltungen und
er ist jährlich ausgebucht“, sagt Martin
Tschoner, Tourismusdirektor der Sport-
und Vitalregion Achsensee. Zusammen
mit seinem Bruder Markus Tschoner,
seines Zeichens Tourismusdirektor der
Olympiaregion Seefeld, sowie den Ver-
antwortlichen des Alpenpark Karwendel,
hat er nach 19 Jahren Pause den legen-
dären Karwendelmarsch wiederaufer-
stehen lassen. Mit gewaltigem Erfolg:
2011 erhielten die Brüder dafür den
begehrten Branchenpreis „Tirol Touris-
tica“ in der Sparte Events. Die Tschoners
wissen also bestens, worauf es bei einem
sportlichen touristischen Sommerange-
bot ankommt.
Den Jungfrau Marathon nennt Tschoner
deshalb als vorbildhaftes Sommersport-
Angebot, weil er ähnlich wie der Karwen-
delmarsch über die Veranstaltung selbst
touristische Werte und Inhalte transportiert.
„Dieser Event steht für die Kompetenz der
Region in Sachen Sport und Naturbewusst-
sein. Das bleibt bei den Gästen und Teilneh-
mern hängen“, ist Tschoner überzeugt. Der
diesjährige Jungfrau Marathon fi ndet am 10.
September statt und war wieder Monate im
Voraus ausgebucht. Tausende Sportbegeis-
terte samt Anhang werden die Region um
Interlaken erkunden und ein Gutteil wird als
Gast wiederkehren. Ein Event mit bewusst
touristischem Mehrwert. Dazu passt auch
die pittoreske Streckenführung. Vom Start in
Interlaken, auf 565 Metern Seehöhe, geht es
auf der Marathonoriginaldistanz von 42,195
Kilometern vorbei an den eindrucksvollen
Themencluster Sport & AktivMartin Tschoner, Tirol-Touristica-Preisträger 2011 für die Neuaufl age des Karwendelmarsches, empfi ehlt den Jungfrau Marathon, Interlaken (CH).
Bergmassiven von Eiger, Jungfrau und
Mönch, hinauf ins Ziel, dem Kleinen Schei-
degg, das auf 2.095 Meter Seehöhe liegt.
Die rund 2.000 Höhenmeter, die man dabei
insgesamt überwinden muss, gelten unter
Läufern als „schönste Marathonstrecke der
Welt“.
Ein solcher Ruf unter Sportfans ist
touristisches Gold wert, weiß Tschoner. Am
Achensee trägt der Karwendelmarsch als
Veranstaltung dazu bei, dass der Claim im
Logo, der von der „Sport- und Vitalregion“
spricht, in der Veranstaltung seine Bestä-
tigung fi ndet. Wie sich Sportveranstaltun-
gen touristisch nutzen lassen, zeigen die
Schweizer in Interlaken vor. „Davon können
auch wir noch lernen, nicht umsonst wird
auch heuer wieder das Laufteam Achen-
see in Interlaken an den Start gehen“, sagt
Tschoner mit verschmitztem Lächeln. ×
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Wer hat‘s erfunden? Sport vor eindrucksvoller Bergkulisse, das ist der Jungfrau Marathon, der jährlich tausende Lauftouristen in die Schweizer Alpen zieht.
33
Themencluster Natur & Gesundheit
Johann Hörtnagl, als Obmann von „Urlaub am Bauern-hof Tirol“ Tirol-Touristica-Preisträger 2010 in der Sparte „Marketing“, empfi ehlt den Salzburger Bauernherbst.
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Erntezeit als Reisezeit. Der Salzburger Bauernherbst nutzt regionale Besonderheiten, die von Bauern und Handwerkern seit Jahrhunderten gepfl ogen werden, als touristischen Mehrwert für die Gäste.
T irols Landwirte gelten in
Sachen Tourismus als Ex-
perten. Johann Hörtnagl,
Obmann des erfolgreichen
Projektes „Urlaub am Bauernhof Tirol“,
das landesweit rund 375 Mitgliedsbetriebe
zählt, weiß das und ist dementsprechend
stolz darauf: „Wir sind sicherlich Vorreiter
auf diesem Gebiet und werden mittlerweile
als eigenes Qualitätsprodukt angesehen.“
Auf die Frage, wo er außerhalb Tirols
innovative Beispiele für Sommertouris-
muskonzepte im Themencluster „Natur &
Gesundheit“ sieht, muss er aber nicht lan-
ge überlegen. „Dazu fällt mir spontan der
Salzburger Bauernherbst ein“, antwortet
Hörtnagl wie aus der Pistole geschossen.
Die Nachbarn im Osten bestechen mit
ihrem Bauernherbst durch Authentizität.
„Hinter dem Titel Salzburger Bauernherbst
verstecken sich eine Vielzahl kleiner Pro-
jekte, die den Gästen einen speziellen
Einblick in das bäuerliche Leben bieten“,
sagt Hörtnagl. Der Herbst, als wichtige
Erntezeit im bäuerlichen Kalender, ist die
ideale Jahreszeit für ein solches Projekt.
Von 27. August bis 26. Oktober fi ndet
der Salzburger Bauernherbst heuer
statt. Das diesjährige Motto ist zugleich
Programm: „Salzburger Brauchtum –
G‘sungen, g’spielt, tanzt & plattelt“. Bei
den rund 2.000 Veranstaltungen, die im
Rahmen des Bauernherbstes über die
Bühne gehen, stehen dieses Mal Musik
und Tanz im Vordergrund. Dabei werden
sportliche Gäste ebenso angesprochen
wie Genussmenschen. Die Palette reicht
von kulinarischen Terminen bis hin zur
sportlich-musikalischen Almrundwande-
rung. Die einzelnen Regionen erhalten im
Rahmen des Salzburger Bauernherbstes
Gelegenheit, sich und ihre Vorzüge zu
präsentieren. Von der regionalen Küche
und Kultur bis hin zu den jeweiligen land-
schaftlichen Reizen. Auch das Handwerk
kommt dabei nicht zu kurz, wodurch
Synergien zwischen Tourismus und alt-
eingesessener Handwerkszunft nutzbar
werden.
„Regionale Besonderheit als Kapital
und Verkaufsargument ist im bäuerlich-
ländlichen Tourismus unverzichtbar“, lobt
Johann Hörtnagl die Salzburger Idee.
Darauf setze man auch bei Urlaub am
Bauernhof Tirol mit Erfolg: „Bodenstän-
digkeit, Familienkontakt, das Eintauchen
in die nicht alltägliche Welt der Landwirt-
schaft, gepaart mit Gemütlichkeit und
Komfort sind das Geheimnis, das kein
Hotel der Welt in dieser Form bieten kann.
Wie man bäuerliche Kultur als Event für
den Sommertourismus nutzbar macht,
zeigen die Salzburger Kollegen mit ihrem
Bauernherbst vor. ×
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Themencluster Familienerlebnis
Marlies Erhard, als Leiterin der „Tiroler Familiennester“ mit ihrem Projekt 2010 für den Tirol Touristica nomi-niert, empfi ehlt den Kindersommer Brandnertal.
S eit 15 Jahren sorgen Marlies
Erhard und ihr Team tirolweit
dafür, dass auch die kleinsten
Gäste einen unvergesslich
schönen Sommerurlaub in den Bergen
verbringen können. In 23 Tiroler Orten
gibt es mittlerweile Familiennester, die mit
ihrem Namen für professionelle und qua-
litative Kinderbetreuung stehen. Dieses
Kinderangebot ist in der Form und Dimen-
sion sicherlich einzigartig, dennoch weiß
auch Marlies Erhard von touristischen
Familienprojekten außerhalb Tirols, die
sie persönlich als vorbildhaft bezeichnet:
„Weil ich selber Vorarlbergerin bin und weil
ich als Kind oft dort zu Gast war, empfehle
ich den Kindersommer im Brandnertal.“
Im idyllischen Tal im Vorarlberger Ober-
land wird in den Monaten Juli und August
ein „kleines, aber feines“ Kinderprogramm
für Gäste geboten. „Das ist zwar vom Um-
fang her viel kleiner als die Familiennester,
aber die Philosophie dahinter ist ähnlich.“
So wird auch im Brandnertal nicht auf un-
persönliche Kinderanimation, sondern auf
ein authentisches Naturerlebnis gesetzt –
ganz wie bei den Tiroler Familiennestern.
Die Vorarlberger teilen dabei die
Wochen von Montag bis Freitag in The-
mentage: vom Wald über Wasser- bis hin
zum Schluchtentag. Die Kinder im Alter
von sechs bis zwölf Jahren lernen so
unter fachkundiger Leitung die Natur im
Brandnertal hautnah kennen. Das Kinder-
programm ist für die Gästekinder grund-
sätzlich kostenlos, allein für die Jause ist
jeweils ein kleiner Beitrag zu leisten. Die-
ses Prinzip der „übergreifenden, kosten-
losen Betreuung“ gefällt Familiennester-
Leiterin Erhard besonders gut. Neben den
Erlebnistagen bietet das Brandnertal auch
täglich Kinderprogramm in verschiedenen
Hotelbetrieben der Region: vom Schnup-
perbogenschießen bis zum Kasperlthea-
ter. Zudem wird Familien die Suche einer
adäquaten Herberge durch das taleigene
Siegel „Family-Friends“ erleichtert. Die
Mitgliedsbetriebe bieten preiswerte und
qualitative Unterkunft auch für Familien
mit mehr als zwei Kindern. „Wer ehrlich
auf die Bedürfnisse der kleinsten Gäste
eingeht, scha² t sich damit die Stamm-
gäste von morgen“, weiß Familiennester-
Leiterin Marlies Ehrwald aus eigener
Erfahrung. Daher ist der Kindersommer
Brandnertal für sie ein herausragendes
und zukunftsweisendes Tourismusprojekt
außerhalb Tirols. ×
Klein, aber fein. Die Kinder von heute sind die Gäste von morgen. Wie man im Kleinen anspruchsvolles Ferienprogramm für Nachwuchstouristen macht, zeigt das Vorarlberger Brandnertal.
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Themencluster Kultur & Kulinarik
Michael Kohler, Leiter des TVB Lechtal und für die Idee und erfolgreiche Umsetzung des Genuss-Radwandertages in der Naturparkregion Lechtal-Reutte für den Tirol Touristica 2011 nominiert, empfi ehlt das Allgäu.
35
D as Allgäu insgesamt! Es ist
zum einen die Nähe und es
ist zum anderen das inno-
vative Programm in Sachen
Kulinarik, das die Region auszeichnet.“ So
begründet der Leiter des Tourismusver-
bandes Lechtal, Michael Kohler, seine
Wahl für den touristischen Blick über den
Tellerand. Das Allgäu, direkter Nachbar
des Lechtales, besticht mit einer ganzen
Reihe von zukunftsweisenden Projekten,
die lokale Besonderheiten – sei es die
Küche oder die Produkte selbst – mit
dem Tourismus verbinden. „Davon ha-
ben wir uns einiges abgeschaut“, räumt
Kohler ein, der heuer für seine Idee des
Genuss-Radwandertages als Finalist für
den Preis „Tirol Touristica“ nominiert war.
Beim Radwandertag im Lechtal bieten
Bauern aus der Region an verschiedenen
Lab stationen ihre Produkte in Form von
kleinen Häppchen an. „Die Teilnehmer
haben so Gelegenheit, lokale Spezialitä-
ten kennenzulernen, und kehren später
zurück, um mehr davon zu bekommen“,
erklärt Kohler die Idee dahinter. Bereits
nach der dritten Aufl age des Radwan-
dertages haben die Bauern ein deutliches
Umsatzplus verzeichnen können.
Im benachbarten Allgäu hat die Ver-
marktung lokaler Spezialitäten Tradition.
Von der Genießer-Tüte voller Allgäuer Spe-
zialitäten, die auf Messen und heuer erst-
mals im Rahmen der Allgäuer Festwochen
verteilt wurde, bis hin zum „glutenfreien
Urlaubsort Scheidegg“ reicht das innova-
tive touristisch-kulinarische Konzept der
deutschen Älpler. Eine andere Erfolgsini-
tiative ist der 2007 gegründete Verein „All-
gäuer Alpengenuss“, der bereits mehrfach
mit Preisen ausgezeichnet wurde. Weil
auf den bewirtschafteten Berghütten im
Allgäu zunehmend Speisen und Geträn-
ke von Discountern angeboten wurden,
entwickelte sich als Gegenbewegung der
„Allgäuer Alpgenuss“, der vom Landwirt-
schaftsamt in Kempten zusammen mit den
neun Allgäuer Alpen gegründet wurde.
Die Mitglieder verpfl ichten sich, auf den
Berghütten nur heimische Produkte anzu-
bieten. Mittlerweile machen 39 Almhütten
sowie 80 Partner aus der Region – von der
Brauerei bis zur Käserei – mit.
„Nur in Verbindung mit einem
Radwandertag haben sie ihr kulinarisches
Angebot nie beworben. Das war dann
unsere Idee, die nun wiederum bei den
Allgäuern gut ankommt, die in Scharen
am Radwandertag teilnehmen“, freut sich
Kohler. Über 1.000 Pedalritter erkunden
das Lechtal nun jedes Jahr anlässlich die-
ser Veranstaltung und lernen so regionale
Produkte und die Küche kennen. Neben
den Bauern nehmen nun auch Wirte aus
dem Lechtal teil, die sich unter dem Sie-
gel „Naturpark-Wirte“ präsentieren und
bewusst nur Produkte aus der Region
anbieten. Im Allgäu wird wiederum der
Lechtaler Radwandertag ebenfalls eifrig
beworben – eine deutsch-österreichische
Freundschaft, die o² ensichtlich durch den
Magen geht. ×
Regionaler Genuss. In den Allgäuer Alpen wird kulinarische Tradition gepfl egt. Sehr zur (Gaumen-)Freude der lukullisch interessierten Gäste.
36MAGAZINBotschafter für Olympia
Tirol wird 2012 Gastgeber der ersten
Olympischen Jugend-Winterspiele
(YOG) sein. Im Jänner stellen insgesamt
1.059 Athleten und Athletinnen in Inns-
bruck, Seefeld und Kühtai ihr Können un-
ter Beweis, rund 1.200 Volunteers sorgen
für den reibungslosen Ablauf.
Die o� ziellen YOG-Tirol-Botschaf-
ter sollen die Stimmung für eine der größ-
ten Wintersportveranstaltungen der Welt
so richtig entfachen. Tirols Sport-Promi-
nenz wird ab sofort bei Presseauftritten
und Sportveranstaltungen im Vorfeld,
aber auch während den Winterspielen
das olympische Feuer repräsentieren.
Darunter unter anderem: Gitti Köck, An-
gelika Neuner, Andre Arnold, Ingo Appelt,
Andreas und Wolfgang Linger, Armin Kog-
ler, Markus Prock, Klaus Sulzenbacher und
Michael Hadschie� .
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Freuen sich auf die Olympischen Spiele
der Jugend: Gitti Köck, Josef Margreiter und Klaus Sulzenbacher.
Vergangenes Jahr holte sich der Neuseeländer Sam Sutton den WM-Titel auf der berühmt-berüchtigten Wellerbrückenstrecke.
Extrem-Kajak-WM im Ötztal
Nach der erfolgreichen Premiere des
neuartigen Boulder-Events „adidas
ROCKSTARS“ in der Area 47 Ende Juli steht
dem Ötztal die nächste Extremsport-Ver-
anstaltung ins Haus. Von 29. September
bis 2. Oktober kämpft die internationale
Elite der Wildwasserpaddler auf einer der
anspruchvollsten Strecken weltweit um
den Weltmeistertitel. „Wir freuen uns,
dass die adidas Sickline WM auch 2011
im Ötztal ausgetragen wird”, sagt Tou-
rismusdirektor Oliver Schwarz. Für Josef
Margreiter, Direktor der Tirol Werbung,
untermauert die Kajak-WM Tirols Status
als „wahres Eldorado für Outdoorsportler“.
www.adidas-sickline.com ×
37
SPANISCHE VERBINDUNGDas Festival Zeitgenössischer Musik Klangspuren steht 2011 im Zeichen spanischen Musikscha� ens. Dazu gibt‘s ein Porträt des Komponisten und Diri-genten George Benjamin und Kooperationen u. a. mit dem Kunsthistorischen Museum Wien.8. bis 24. September 2011, Schwaz, Innsbruck u. a.
INTERNATIONALE SPRACHEZum Literaturfestival Sprachsalz reisen alljährlich Literaten aus aller Welt an. Diesmal lesen Mikhail Shishkin aus Russland, Gerald Stern aus den USA, der Ukrainer Taras Prochasko, der Schweizer Urs Allemann und viele andere Autoren. Eintritt frei.9. bis 11. September 2011, Hall in Tirol
RUMÄNISCHE KLÄNGEDie Blaskapelle Fanfare Ciocarlia ist sozusagen die Mutter aller rumänischen Bläserkunst: rasant, temperamentvoll, mitreißend und lustig. In der Reihe „Woaßt eh!“ des Kulturverein Wunderlich bringen sie das Kufsteiner Publikum in Bewegung.29. Oktober 2011, Innotech, Kufstein
WEITERE VERANSTALTUNGEN32. Österreichischer Grafi kwettbewerb17. 9. bis 2. 10. 2011, Galerie im Taxispalais, Inns-bruck, www.galerieimtaxispalais.atErwin Steinhauer: Gemeindebau – 4 Uhr früh! 23. 9. 2011, 20 h, FoRum, Rumwww.rum.at/forumLange Nacht der Museen1. 10. 2011, 18 h bis 1 h, 47 Museen und Galerien in Tirol, langenacht.orf.atLili Araujo: Sounds of Brazil 16. 10. 2011, 20 h, Eremitage, Schwazwww.eremitage.com
KULTURTIPPSVON ES THER PIRCHNER
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R und 10.000 Quellen mit etwa 1,5
Milliarden Kubikmetern Wasser
entspringen in den Tiroler Bergen. 600
Seen, Weiher und Teiche gibt es, fast alle
mit Trinkwasserqualität. Tirol ist nicht nur
ein Land der Berge, sondern auch ein
Land des Wassers. Und diesem Element
widmet sich das digitale Reisemagazin
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„WasserReich Tirol“. Auf 26 Seiten zum
Anklicken findet der Leser alles über
Ausflugsziele, Wassersport in Tirol, Ther-
men, Gletscher und Wasserfälle – oder
was auch immer man über die Tiroler
Gewässer wissen will.
www.tirol.at ×
WasserReich Tirol
BUCHTIPP:
„Der andere Horizont“ nennt der Fotograf Bernd Ritschel sein zweites Tirol-Buch. Mit der Kamera fängt er jene Au-genblicke ein, die in so vielen Menschen die Liebe zu den Bergen weckt. Mit dem Objektiv verfolgt er Flussläufe, steigt auf Gipfel und zoomt sich mitten in Almwiesen. In dem kleinformatigen Buch wechseln sich Berg-Bil-der und Berg-Texte ab. Die Texte stammen von Anselm Grün, Reinhold Stecher, Viktor Frankl, Joachim Rin-gelnatz, Hubert von Goisern, Sergio Bambaren, Evelyne Binsack und vielen mehr.
Bernd Ritschel: „Der andere Horizont. Kraft und Inspiration aus den Bergen“, Tyrolia Verlag, 48 Seiten, 9,95 Euro
BUCHTIPP:
„Der andere Horizont“ nennt der Fotograf Bernd Ritschel sein zweites Tirol-Buch. Mit der Kamera fängt er jene Au-genblicke ein, die in so vielen Menschen die Liebe zu den Bergen weckt. Mit dem Objektiv verfolgt er Flussläufe, steigt auf Gipfel und zoomt sich mitten in Almwiesen. In dem kleinformatigen Buch wechseln sich Berg-Bil-der und Berg-Texte ab. Die Texte stammen von Anselm Grün, Reinhold Stecher, Viktor Frankl, Joachim Rin-gelnatz, Hubert von Goisern, Sergio Bambaren, Evelyne Binsack und vielen mehr.
38 SAISON
MAGAZIN
Auf Reisen mit Gott„Wem Gott will rechte Gunst erweisen, den schickt er in die weite Welt“, schrieb der deutsche Lyriker Joseph Freiherr von Eichendor� Anfang des 19. Jahrhunderts. Aber: Ist Gott dann auch mit dabei im Urlaub?
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I m Inneren der Kirche hört man
Orgelspiel. Es ist einer jener Ur-
laubstage, an denen man einfach
durch die Ortschaft fl aniert und
die Szenerie einatmet. Die Kirche ist of-
fen, warum also nicht als Urlauber einen
Sprung reinschauen? In einer Kirchenbank
sitzen, dem Orgelspiel zuhören und sich
besinnen?
Diese oder ähnliche Situationen
spielen sich in Tirol täglich ab. Religion
und ihre Ausübung gehören zur jeweili-
gen Kultur eines Reiselandes und stehen
damit im Brennpunkt des Interesses ei-
nes Urlaubers. Ist der Gast ein religiöser
Mensch, so liegt es auf der Hand, dass er
in seiner Urlaubszeit die Besinnung und
Nähe seiner Religion sucht.
In Tirol beschäftigt sich mit dem
Phänomen Tourismus vor allem die ka-
tholische Kirche mit einem eigenen Ar-
beitskreis, der seit Juni dieses Jahres von
Ordensmann Magnus Roth geleitet wird.
Roth selbst ist seit 20 Jahren als Pfarrer
von Igls und Vill in einer tourismusstar-
ken Region für die Seelsorge zuständig.
Sein Credo im Umgang mit Urlaubern ist,
unaufdringlich für den Gast da zu sein.
„Gerade in der Urlaubszeit muss sich
die Kirche nicht zwanghaft aufdrängen“,
bekräftigt Roth. „Das ist nicht unsere Auf-
gabe, vielmehr muss sie einfach für jene
da sein, die in ihrem Urlaub Besinnung
suchen.“ Roth nennt hier ein Beispiel: „Die
Orgelkonzerte in Igls werden im Sommer
fast ausschließlich von Urlaubern besucht.
Das ist für den Gast eine unaufdringliche
Gelegenheit, im Kirchenraum eine Stunde
der Besinnung zu erleben.“ Eine Gele-
genheit, die o� ensichtlich angenommen
wird, schätzt Roth doch, dass jährlich
rund 10.000 Gäste diese Orgelkonzerte
besuchen.
Helfen zu entdecken. Auch Chris-
tine Drexler, die in der Diözese Innsbruck
das Referat der Tourismusseelsorge be-
treut, sieht die Aufgabe der Kirche darin,
Gastfreundschaft zu signalisieren. „Events
für den Gast machen andere. Wir haben
vor allem die Aufgabe, dem Gast die Kir-
Dem Himmel nah. Gott ist für viele Reisende eine bewusste oder zufällige Reisebekanntschaft und die Urlaubszeit eine gute Möglichkeit, Besinnung in religiösen Einrichtungen zu fi nden.
TOURISMUS UND KIRCHE
Am 5. Oktober 2011 fi ndet die traditio-nelle Tourismuswallfahrt heuer im Stift Stams statt. Beginn der Wallfahrt ist um 13 Uhr. Rund um den Welttourismustag am 11. Oktober werden in den Tou-rismusschulen „Am Wilden Kaiser“ (St. Johann in Tirol) Workshops der Diöze-se Innsbruck zum Thema „Tourismus verbindet Kulturen“ angeboten. Weitere Informationen zum Tourismuspasto-ral können unter [email protected] angefordert werden. Die Diöze-se Innsbruck im Internet:
www.dibk.at
chenräume in Tirol zugänglich zu machen
und so eine Einladung auszusprechen,
Gott im Urlaub zu besuchen“, so Drexler.
„Wir können hier aktiv helfen, dass der Rei-
sende etwas entdeckt, wofür er vielleicht
nur im Urlaub Zeit hat.“
Dennoch weiß man in der Diözese
Innsbruck auch um die Herausforderun-
gen, die der starke Tourismus mit sich
bringt. „Im Sommer kann es schon vor-
kommen, dass mehr Urlauber die Messe
besuchen als Einwohner einer Gemein-
de“, erklärt Magnus Roth. „Problem ist
das aber keines, auch die Sprachbarriere
wird nicht als unangenehm empfunden.
Der religiöse Mensch erlebt hier bei uns
eine andere Form von Gottesdienst und
empfi ndet diesen Einblick als anregend,
vielleicht sogar exotisch.“ Trotzdem wird
in vielen tourismusstarken Gemeinden
von den Pfarren das Service angeboten,
dass die liturgischen Texte in mehreren
Sprachen in der Kirche aufl iegen. Der
neue Tourismusseelsorger Roth kann sich
vorstellen, vor allem in Ballungsräumen
das fremdsprachige Angebot an Gottes-
diensten auszubauen. Derzeit sind diese
Möglichkeiten in Tirol beschränkt. In der
Jesuitenkirche in Innsbruck gibt es jeden
Samstag um 18 Uhr eine katholische Mes-
se in englischer Sprache, einige evangeli-
sche Pfarrgemeinden im Oberland halten
Messen in Holländisch ab.
Zweite Heimat. Ein Phänomen brin-
gen die vielen Stammgäste Tirols mit sich.
Sie empfi nden nicht nur den Ort, sondern
auch die Pfarre als ihre zweite Heimat. So
erzählt Christine Drexler von Stammgäs-
ten, die so verbunden mit der Pfarre sind,
dass sie hier auch heiraten wollen oder die
Taufe ihrer Kinder in Tirol stattfi nden soll.
„Das ist beim aktuellen Pfarrermangel na-
türlich eine zusätzliche Herausforderung,
die nicht immer leicht mit der regulären
Seelsorge zu verbinden ist“, so Drexler.
Und natürlich ist im Urlaub genug Zeit
vorhanden, dass sich der Gast mit sich
selbst und seiner aktuellen Lebenslage in-
tensiver befasst. „Auch das erzählen Tirols
Seelsorger, dass die örtliche Distanz zur
eigenen Pfarre und die jahrelange Nähe
zu ihrer zweiten Heimat viele Gespräche
mit sich bringen, die für die Menschen
zu Hause in der Form wahrscheinlich gar
nicht möglich wären.“
Die Tourismusseelsorge beschränkt
sich allerdings nicht auf den Urlaubsgast,
vielmehr beschäftigt man sich intensiv
mit den Problemen der Menschen, die
im Tourismus tätig sind. „Allein schon die
Arbeitszeiten im Tourismus beeinfl ussen
eine Pfarrgemeinde in ihrer Struktur“,
bringt es Christine Drexler auf den Punkt.
„Die Aufgabe des Tourismuspastorals der
Diözese ist es, betro� ene Pfarrgemeinden
zu unterstützen und Wege zu fi nden, um
ein aktives Kirchenleben zu ermöglichen.“
Und das gelingt im Alltag. Pfar-
rer Magnus Roth aus Igls empfi ndet die
Wechselwirkung zwischen Reisenden und
Bereisten in seiner Pfarre als Bereicherung
für alle. Und manche Anekdote kann nur
in einem starken Tourismusort passieren.
„Ich habe in 20 Jahren Seelsorge in Igls
einmal eine echte Ausnahme gemacht“,
erzählt Magnus Roth schmunzelnd. „Als
während der Fußball-Europameisterschaft
2008 ein Nationalteam in Igls stationiert
war, haben wir am Tag des Spiels um 7 Uhr
SAISON: Herr Roth, was wünscht sich der neue Tourismusseelsorger von
Tirols Touristikern? MAGNUS ROTH: Ich
empfi nde es als wichtig, dass Tirols Tou-
ristiker den Gast als Gast wahrnehmen.
39
Das bedeutet für mich, etwas von sich
an die Gäste weiterzugeben, ohne ihn zu
vereinnahmen. Das hat fast schon eine
spirituelle Seite. Außerdem sollte das, was
man dem Urlauber anbietet, mit unserer
Kultur und Tradition in Einklang sein.
Was haben Sie sich als Tourismusseelsor-ger vorgenommen? Ohne schulmeister-
lich zu sein, müsste sich die katholische
Kirche öfter zu aktuellen touristischen
Tendenzen zu Wort melden. Ein Beispiel
sind für mich die vielen Besinnungswege,
die in der letzten Zeit entstanden sind. Ich
empfi nde diese touristischen Angebote
als tolle Chance. Der Wildwuchs von Be-
sinnungswegen kann aber auch bis zur
Besinnungslosigkeit betrieben werden.
Was mich freut, ist, dass es tirolweit sehr
viel Toleranz und Verständnis für die Be-
dürfnisse des anderen gibt. Tourismus und
Kirche arbeiten gut zusammen.“
Vielen Dank für das Gespräch. ×
morgens darauf verzichtet, die Kirchen-
glocken zu läuten, damit die Spieler aus-
schlafen können. Genützt hat es nichts, sie
haben verloren. Aber die Kirchenglocken
waren mit Sicherheit nicht daran schuld.“
Individuelle Lösungen. In Tirol
wird in tourismusstarken Gemeinden
sehr individuell mit den Herausforde-
rungen des Tourismus an die Religiosität
der Reisenden herangegangen. Es ist die
evangelische Sonnenaufgangs-Andacht
am Kitzbüheler Horn genauso wie das
Orgelkonzert in einer katholischen Kir-
che, das den religiösen Urlauber während
seines Tirol-Aufenthaltes begeistern soll.
Vor allem aber muss es für den Gast
die Möglichkeit geben, Kirche im Urlaub zu
erleben. Dann kommt im Urlaub die Nähe
zu Gott oft von selbst. Als zufällige oder
gewollte Reisebekanntschaft, die einem
liebevoll in Erinnerung bleibt. ×
„Etwas an die Gäste weitergeben“Magnus Roth ist seit Juni 2011 Tirols Tourismusseelsorger und seit 20 Jahren für die Pfarren Igls und Vill zuständig.
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Design statt Alpenkitsch Die Tourismusdörfer in den Alpen sind nicht gerade für ihre modernen Bauwerke bekannt. Doch immer mehr Hoteliers trauen sich weg von Alpenkitsch und Lederhosenarchitektur – und haben damit Erfolg.
Von S ylVia a ine t ter
U rig und gemütlich wol-
len die meisten Hotels in
Tirol sein – und beugen
sich dem Klischee der
trauten Alpenidylle. Zirbenstuben mit
verschnörkelten Holzstühlen, Hirschge-
weihe an der Wand und Geranien vorm
Fenster: So, wie sich die Gäste Tiroler
Bauernhäuser vorstellen, sehen die Ho-
tels in den Alpendörfern aus. „Modern“
geht anders. Dennoch funktioniert die
Inszenierung, scheint ein großer Teil der
Gäste doch genau dieses Klischee erle-
ben zu wollen. Die Tourismuswirtschaft
investiert in Bau und Gestaltung hohe
Summen, weitreichende Konzepte und
innovative Ideen fehlen jedoch häufig.
Manchmal traut sich aber doch ein
Hotel, anders zu sein: zum Beispiel das
„The Cube“-Hotel in Biberwier. In der auf-
fälligen Glasfassade des quaderförmigen
Baus spiegeln sich die Berge. Im Inneren
spaziert der Gast nicht über Treppen,
sondern über „Gateways“. „Tiroler Ge-
mütlichkeit“ im gewohnten Sinne gibt es
hier nicht, stattdessen ein ausgeklügeltes
Lichtkonzept und klare, kühle Formen.
Aber moderne Architektur hat
viele Gesichter: Auch das Naturhotel
Waldklause in Längenfeld setzt auf inno-
vatives Design – bleibt jedoch näher an
der Natur. Trotzdem ist das Holzdesign-
hotel weit entfernt von alpenländischem
Kitsch.
Das sind nur zwei Beispiele für in-
novative Architektur im Alpentourismus
– und dafür, dass diese auch bei den Gäs-
ten ankommt. „Designhotels“ feiern ihre
Erfolge eben nicht trotz, sondern wegen
ihrer außergewöhnlichen Gestaltung.
Destinationen gestalten. Die So-
ziologin Felizitas Romeiß-Stracke rief im
Jahr 2007 die „Plattform für Tourismus und
Architektur“ (www.tourismusarchitektur.
de) in München ins Leben, mit dem Ziel,
die Baukultur im Tourismus zu verbessern.
„Architektur kann Destinationen schaffen.
Es ist immer häufiger so, dass Ambiente
und Design des Hotels Kriterien für die
Buchung sind“, erklärt Romeiß-Stracke.
Das unterschreibt auch Irene Auer,
Chefin des Naturhotels Waldklause: „Die
Gäste buchen unser Hotel, weil sie schon
im Internet sehen, dass es modern und
stylish ist. Viele der Gäste kommen zum
Schauen.“ Und manche, fügt sie hinzu,
kämen auch zum „Abschauen“. „Wir haben
viele Kollegen und Architekten hier“, sagt
Auer. Für sie sei von Anfang an klar ge-
wesen, dass es ein Designhotel sein muss
40
Blickfang: Die modernen Stationen der neuen Hungerburgbahn, gestaltet von der Architektin Zaha Hadid, sind bereits nach wenigen Jahren zum Wahrzeichen Innsbrucks avanciert.
41 SAISON
MAGAZIN
– und aus Holz. Als vor sieben Jahren das
Naturhotel dann eröff nete, sei sie von den
Hoteliers in der Umgebung nur belächelt
worden.
„Tirol ist in den 70er-Jahren im
Alpentourismus sehr stark gewachsen –
die Goldgräbermentalität sieht man den
Bauten leider an. Das ist ein schweres
Erbe“, fügt Romeiß-Stracke hinzu. Tut sich
Tirol also besonders schwer, aus den tra-
ditionellen Gestaltungsgepfl ogenheiten
auszubrechen?
Geförderte Architektur. Die Rah-
menbedingungen für Touristiker mit Mut
zu modernem Design sind jedenfalls
nicht die besten, Tourismusarchitektur
ist in Tirol bisher kaum Thema. In Bayern
und in Ostösterreich schaut es anders
aus: Bei Tourismuskonferenzen in Wien
und Linz stand der Einsatz von innovativer
Architektur im Tourismus bereits auf der
Tagesordnung. Auch die internationale
Tourismustagung 2012 in Jerusalem
beschäftigt sich mit „Innovationen in der
Hotelgestaltung und Architektur“. Bayern
würdigt mutige Hoteldesigns mit dem
Tourismusarchitekturpreis „artouro“, der
im Zwei-Jahres-Takt vergeben werden
soll. Ausgezeichnet werden architekto-
nisch hochwertige Tourismusobjekte in
Bayern. In Tirol gibt es Derartiges noch
nicht. Ist moderne Architektur etwa nicht
profi tabel genug?
Manche mögen’s kitschig. „Mo-
derne Architektur zieht Gäste an, aller-
dings nur eine bestimmte Klientel“, erklärt
Romeiß-Stracke, „das sind die Jüngeren,
Bessergebildeten und -verdienenden. Die-
se wollen moderne Architektur und mo-
dernes Design. Die Stammklientel mag’s
gerne kitschig.“
Das bestätigt auch Irene Auer vom
Naturhotel Waldklause: „Wir wollten mit
dieser modernen Architektur in erster Linie
junges Publikum ansprechen – das hat sehr
gut funktioniert.“ Romeiß-Stracke sieht
eine gesamtgesellschaftliche Entwicklung:
„Die Sehnsucht nach ungewöhnlichen Ur-
laubslocations ist ganz stark – das ist eine
Reaktion gegen das Uniforme.“
In ihrem Aufsatz „Entwicklungen in
der Hotel-Architektur“ (2009 in „Deutsche
Bauzeitschrift“) schreibt sie: „Vereinfacht
gesagt, befi nden wir uns auf dem Weg
von der ,Erlebnisgesellschaft’, in der das
Ziel ein möglichst buntes, ereignisrei-
ches Leben voller Konsum-Optionen
war, hin zur ‚Sinngesellschaft‘ in der die
persönliche Weiterentwicklung durch
intensive Erfahrungen im Mittelpunkt
steht.“ Individualität wird immer wichtiger
– ein Fakt, der den Designhotels zugute
kommt. Denn ein Hotel ist nicht mehr nur
Unterkunft, sondern auch Ausdruck der
eigenen Lebensweise. Von einer rasanten
Entwicklung kann jedoch keine Rede sein.
„Das alpine-ästhetische Klischee ist sehr
konservativ und die ländliche Bauweise ist
sehr prägend. Das sind starke Bilder. Es ist
psychologisch schwer, das zu drehen, und
es benötigt viel Bewusstseinarbeit“, erklärt
Romeiß-Stracke.
Architektur macht Gäste. Ob mo-
derne Tourismusarchitektur sich auch wirt-
schaftlich lohnt, sollte 2007 eine Studie von
pla’tou – Plattform für Architektur im Tou-
rismus zeigen. Unter dem Titel „Architektur
macht Gäste“ wurden 300 Unternehmen
aus der Tourismuswirtschaft befragt, die
zeitgenössische Architektur bei Neu- bzw.
Umbau eingesetzt haben. Die Ergebnisse
sprechen für moderne Gestaltung: 88 %
gaben an, die Investition habe sich ren-
tiert, bei 51 % lagen die wirtschaftlichen
Kennzahlen über dem Branchenschnitt,
bei 7 % darunter. Bei Zu- und Umbauten
wurde am häufi gsten eine Steigerung von
25 % angegeben. 80 % der Unternehmer
bezeichnen die zeitgenössische Architektur
als wichtigen Marketingfaktor.
„Architektur spielt eine große Rolle
im Marketing. Man darf auch den Archi-
tekturtourismus nicht außer Acht lassen –
und die Mundpropaganda, wenn ein Gast
besonders fasziniert von der Gestaltung
war“, bestätigt Auer.
„Man kann Gebäude herstellen, die architektonisch gut ausschauen, aber es kommt auch immer darauf an, ob sich der Gast wohlfühlt.“IRENE AUER, NATURHOTEL WALDKLAUSE
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Moderne Alpenarchitektur: Das Hotel Anton in St. Anton am Arlberg setzt auf Design statt auf Lederhosenkitsch.
42
Gewohnheitseff ekt. Bei „Touris-
musarchitektur“ geht es aber um mehr als
um außergewöhnlich gestaltete Hotels.
Vielmehr betriff t das Thema alle Bauwer-
ke, die mit Tourismus zu tun haben, also
auch Museen, Bergbahnen, Kaufhäuser
und so weiter. Die Aufwertung einer De-
stination durch moderne Architektur hat
sogar einen Namen: der „Bilbao-Eff ekt“
(siehe Kasten).
Bereits in Innsbruck lässt sich ein
Imagewandel durch innovative Gestal-
tung beobachten: „Durch die Bergisel-
schanze, die Hungerburgbahn, aber auch
das Penz-Hotel und noch weitere, klei-
nere Projekte hat Innsbruck sein Image
von verschlafen zu weltoff en gedreht“,
analysiert Romeiß-Stracke. Und tat-
sächlich: Die von Zaha Hadid gestaltete
Bergiselschanze ist inzwischen schon
zum Wahrzeichen geworden.
Dass die Bevölkerung zu Beginn
eines solchen Projekts wenig Begeiste-
rung zeigt, sei ganz normal. „Modernes
wird zunächst immer abgelehnt. Doch
der Gewöhnungseff ekt ist stark und so
fi ndet es nach ein paar Jahren Anklang.
In der Stadt gehen solche Entwicklungen
schneller, aber auch auf dem Land ändert
sich die Akzeptanz mit dem Generatio-
nenwechsel.“
Bewusstseinsbildung. Das Be-
wusstsein für moderne Gestaltung im
Tourismus ist trotz zahlreicher Bemü-
hungen noch immer schwach – aus
mehrerlei Gründen. „Der Tourismus
kommt als eigene Kategorie in der
„Es ist immer häufi ger so, dass Ambiente und Design des Hotels Kriterien für die Buchung sind.“FELIZITAS ROMEISS-STRACKE, SOZIOLOGIN
Planungsgesetzgebung zu wenig vor,
vor allem auch, was die städtebauliche
und landschaftsplanerische Integration
betriff t“, zeigt die Soziologin Handlungs-
bedarf auf politischer Ebene auf.
Aber sie ortet weitere Diskrepan-
zen: Zum einen verstünden Touristiker
zu wenig von Gestaltung, zum anderen
kennen sich Architekten zu wenig mit
den Anforderungen der Tourismusbe-
triebe aus. „Touristiker und Architekten
sprechen unterschiedliche Sprachen
– das macht die Zusammenarbeit oft
schwierig“, gibt Romeiß-Stracke zu be-
denken. Auch würden Architekten an
der Uni nicht lernen, Tourismusbauten
zu planen, das gehe zulasten der Funk-
tionalität.
Das ist auch Irene Auer bewusst:
„Nicht alles, was Design ist, ist auch prak-
tisch. Für uns ist wichtig, dass etwas toll
ausschaut, aber auch funktionell ist. Die-
se überdesignten Objekte funktionieren
oft nicht – und das spürt man! Es muss
passen – auch funktional.“
Dann gibt sie noch zu bedenken:
„Man kann Gebäude herstellen, die ar-
chitektonisch gut ausschauen, aber es
kommt auch immer darauf an, ob sich
der Gast wohlfühlt.“ Denn „gemütlich“
geht auch, wenn das Hotel nicht „urig“
aussieht. ×
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DER BILBAO-EFFEKTUnter dem Bilbao-Eff ekt versteht man eine Aufwertung von Orten durch den Einsatz von spektakulärer Architektur. Als Paradebeispiel dient die nordspanische Stadt Bilbao, die bis Ende der 90er-Jahre nur wenig Zu-spruch von Touristen erfuhr. Mit der Fertigstellung des Guggenheimmu-seum (Architekt: Frank O’Gehry ) 1997 änderte sich das: Der avantgardis-tische Bau aus Titan, Glas und Kalkstein befreite Bilbao vom Image einer tristen, verarmten Industriestadt. 956.417 Besucher verzeichnete das Guggenheim im Jahr 2010, davon kamen 62 % aus dem Ausland. Seit 1997 entstanden rund um das Guggenheim weitere moderne Bauwerke, die den touristischen Erfolg Bilbaos konservieren sollten – und es auch tun: wie die von Sir Norman Foster gestaltete Metrolinie und die Brücke „Zubizuri“ des Architekten Santiago Calatrava, die an ein aufge-blähtes Segel erinnert.
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Belächelt: Als das Naturhotel Wald-klause vor sieben Jahren eröff nete, schmunzelte die Konkurrenz noch. Inzwischen gilt es als Vorzeigeobjekt unter den Tiroler Designhotels.
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44 SAISON
MAGAZIN
Freiräume scha� enDer Verein „wei sraum“ rund um den Grafi ker, Typografen und Gestalter Kurt Höretzeder veranstaltet seit 2005 hochkarätig besetzte Vorträge zur visuellen Gestaltung im aut. architektur und tirol. Schritt für Schritt kamen Workshops, Exkursionen und das „wei sraum“-Café dazu. Das Herbstprogramm 2011 wartet wieder mit großen Namen und ansprechenden Projekten auf.
DA S INTERVIEW FÜHRTE ES THER PIRCHNER .
S AISON: Herr Höretzeder, der Vereinsname „wei sraum“ – mit einem Leerzeichen statt des ersten S – legt nahe,
dass Sie mit Ihren Aktivitäten eine Lücke schließen und mehr Aufmerksamkeit auf Typografi e und andere Bereiche der gra-fi schen Gestaltung lenken wollen. KURT
HÖRETZEDER: Das kann man damit asso-
ziieren – in Westösterreich gibt es sonst
keine vergleichbare Institution –, aber es
ging auch darum, Freiräume zu scha� en,
in denen man wieder nachdenken kann.
Der Weißraum ist einer der wichtigsten
Begri� e in der Kunst und Grafi k des 20.
Jahrhunderts. Er ist nicht nur eine Rest-
fl äche, sondern man hat festgestellt: Je
mehr Kommunikation es gibt, je mehr
Informationen – zum Beispiel in einer Zei-
tung – transportiert werden, desto wich-
tiger sind Weißräume dazwischen, damit
man Inhalte überhaupt wieder aufnehmen
kann. Auch wie Schriften wahrgenommen
werden, hängt stark von den Weißräumen
in den Buchstaben ab.
Welche thematischen Schwerpunkte setzen Sie bei Ihren Veranstaltungen?
Im Kern geht es um Typografi e, weil ich
ohnehin der Meinung bin, dass Grafi k mit
Typografi e beginnt und endet. Aber wir
fassen das nicht so eng. Grafi kdesign wird
oft nur mit Werbung assoziiert, aber es gibt
so viel mehr: Buch-, Zeitschriften- und
Museumsgestaltung, Leitsysteme, Ori-
entierungssysteme, Informationsdesign.
Wir laden dazu nicht nur Grafi ker
ein, sondern auch Literaturwissenschaft-
ler oder Kunsthistoriker, die sich mit vi-
sueller Gestaltung und Kommunikation
befassen. Das ist ein Bereich, der mir
immer wichtiger wird: Grafi kdesign in
einem gesellschaftlichen, gesellschafts-
politischen Diskurs zu verankern – so wie
es auch mit der Architektur passiert.
Zur Architektur sehe ich auch in anderer Hinsicht eine Parallele: in der Frage, ob es sich bei diesen Ausdrucksformen vor allem um Kunst oder um Handwerk han-delt. Die Grenzen sind da immer fl ießend.
Wir haben im Herbst einen Schwerpunkt
dazu – mit verschiedenen Positionen:
Der erste Vortragende, Per Mollerup, hat
einige ganz wichtige Publikationen zur
Markenführung und Markenentwicklung
verö� entlicht. Zum zweiten Vortrag haben
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einer Zeit, in der sie noch ganz konkret mit
Haltungsfragen konfrontiert waren. Das
fi nde ich sehr interessant.
Gibt es auch Länder, in denen der Boden für Grafi kdesign besonders gut ist? Die
Schweiz und die Niederlande bringen im-
mer wieder bedeutende Grafi ker hervor,
es gibt dort hervorragende Ausbildungs-
stätten mit hervorragenden Professoren.
Bildungsorte wie diese sind entscheidend.
Das Handwerkszeug zu können, ist ganz
wichtig, aber es braucht auch Freiräume,
ein umfassendes Bildungsideal, und da
sind wir in Österreich leider hintennach.
Mit der Ausrichtung von Workshops bie-ten Sie aber zumindest die Möglichkeit einer Fortbildung mit guten Lehrern. Ja,
wobei der Andrang in diesem und dem
letzten Jahr nicht sehr groß war. Aber
2012 werden wir die Workshops vor-
aussichtlich zu einer Sommerakademie
zusammenlegen, das funktioniert mög-
licherweise besser.
Welche anderen Pläne haben Sie für die Zukunft? Irgendwann einmal hätten wir
gerne einen eigenen Ausstellungsraum.
Und 2015 möchten wir eine Ausstellung
zum 100. Geburtstag von Arthur Zelger
wir Michael Schirner eingeladen, eigent-
lich der deutsche Art Director der 1980er-
Jahre, der damals einige der größten
Kampagnen mitkonzipiert hat. Seine
Behauptung war immer schon: Werbung
ist Kunst. Und inzwischen macht er auch
nur mehr Kunst. Otl Aicher [bedeutender
deutscher Gestalter, Anm.] hat hingegen
immer gesagt: Werbung hat mit Kunst
überhaupt nichts zu tun.
Im November ist dann Pierre
Bernard zu Gast, der die französische
Gestalterszene der letzten vierzig Jahre
entscheidend geprägt hat. Seine Grafi k
war immer engagiert. Er ist Kommunist,
hat für die französischen Gewerkschaften
gearbeitet und unterstützt nach wie vor
Protestbewegungen.
An diesen drei Namen sieht man, dass „wei sraum“ international bedeutende Grafi k-designer einlädt. Welche Gäste waren für Sie besonders wichtig? Einer der Ersten
war der Schweizer Buchgestalter Rolf Ho-
chuli, dann der niederländische Typedesig-
ner Fred Smeijers, der Zeitschriftendesigner
Gerard Unger, Rolf Müller, einer der ganz
wichtigen Vertreter der Ulmer Schule, oder
Ruedi Bauer mit seinen Leitsystemen. Ich
lade gerne ältere Designer ein, weil die
etwas zu sagen haben. Sie kommen aus
„ Werbung hat mit Kunst überhaupt nichts zu tun.“OTL AICHER, DEUTSCHER GESTALTER
„ WEI SRAUM“-VERANSTALTUNGEN IM HERBST 2011
VORTRÄGEPer Mollerup, 20. September 2011, 20 UhrMichael Schirner, 18. Oktober 2011, 20 UhrPierre Bernard, 8. November 2011, 20 Uhraut. architektur und tirolLois-Welzenbacher-Platz 16020 Innsbruck
WORKSHOPSChristian Mariacher, Informationstypo-grafi e, 16. bis 18. September 2011Andrea Redolfi , Heike Czerner, Klikspaan. Visuelle Grammatik der Gestaltung, 4. bis 8. Oktober 2011Kurt Höretzeder, Logisch sind Logos fast nie, 21. bis 23. Oktober 2011Natterer See
EXKURSIONMuseo Parma15./16. Oktober 2011
ZUR PERSONKurt Höretzeder (*1969) ist Grafi ker, Gestalter, Typograf und Schreiber. Er war Mitbegründer von „Circus. Büro für Kom-munikation und Gestaltung“, gründete 2002 das eigene Büro „hœretzeder grafi sche gestaltung“ mit den Arbeitsschwer-punkten Erscheinungsbilder, Bücher, Zeitschriften, Magazine, Ausstellungen und Leitsysteme, Kommunikations- und Marke-tingprojekte. Er ist Gründer und Vorsitzender von „wei sraum – Forum für visuelle Gestaltung Innsbruck“.
[Tiroler Werbegrafi ker und Schöpfer des
Tirol-Logos, Anm.] organisieren. Dazu
würde ich ein Jahr davor ein Symposium
veranstalten, in dem man darüber nach-
denkt, was touristische visuelle Kommu-
nikation heute sein kann.
Wir wollen auch weiterhin ein
Bewusstsein für visuelle Gestaltung und
Kommunikation scha� en, auch bei Ar-
beitgebern und im ö� entlichen Raum. In
der Grafi k ist man am Lebensnerv einer
ganzen Kultur dran, und daraus muss man
etwas machen.
Vielen Dank für das Gespräch. ×
46 SAISON
MAGAZIN
Der Tod im Gebirge Regionalspezifi sche Krimiliteratur boomt. Autoren wie Donna Leon, Alfred Komarek und Kinky Friedman machen seit Jahren ihre (Wahl-)Heimat zur Mördergrube. Nicht weniger kriminalistisch geht es in Tirol zu, wenn Lina Hofstädter, Lena Avanzini oder Bernhard Aichner zur Feder greifen.
VON ES THER PIRCHNER
D ie eine ist Volkskundlerin,
die zweite Studentin und
angehende Sängerin, der
dritte schaufelt den Toten
ihr Grab: Die Hauptfi guren in den aktuel-
len Krimis aus Tirol haben, wenn es um
die Aufklärung von Verbrechen geht, eher
untypische Berufe. Und doch stolpert
jede(r) von ihnen über die eine oder ande-
re gewaltsam zu Tode gekommene Leiche
und kümmert sich zwangsläufi g darum zu
erfahren, mit welchen unrechten Dingen
es dabei zugegangen ist.
Spiel mit Formen. Krimis sind span-
nend und reizvoll. Sie bieten den Autoren
die Möglichkeit, mit verschiedenen litera-
rischen Formen zu experimentieren, etwa
die Mittel der Satire anzuwenden, wie dies
Lina Hofstädter tut, oder – wie Bernhard
Aichner – Dialoge und Szenerien zu ent-
werfen, die auch als Film funktionieren
würden. Gleichzeitig ist bei der Architektur
von Mördergeschichten höchste Genau-
igkeit gefordert. Man müsse auf mehreren
Ebenen präzise arbeiten, sagt Lina Hof-
städter, die mit bisher fünf verö� entlich-
ten Krimis (und viel anderer Literatur) die
erfahrenste Autorin der drei ist.
Exakte Recherche. „Es ist eine
Gattung, die man zum Vergnügen und
als Literatur lesen kann, und auch beim
Schreiben ist das Verhältnis dasselbe:
Oberfl äche zu bieten, ohne Tiefgang
zu verlieren.“ Für „Satansbrut“, ihr aktu-
elles Buch rund um die Volkskundlerin
Patrizia Federspiel, hat sie sich mit zeit-
genössischen Teufelskulten und Tiroler
Maskenbrauchtum auseinandergesetzt,
wie immer ausgerüstet mit einem „Meter
Fachbücher“ und Beratung von Leuten,
die sich in bestimmten Metiers wie dem
Gastgewerbe auskennen.
Lena Avanzini, selbst Musikerin und Musik-
lehrerin, lässt die Studentin Vera Meyring in
ihrem Debütroman „Tod in Innsbruck“ mit
leichter Hand in Musikerkreisen verkehren,
musste sich aber in Bezug auf Polizei arbeit
und andere Bereiche weitergehend infor-
mieren. Und Bernhard Aichner, der nach
Erzählungen, Theaterstücken und Roma-
nen an seinem dritten Krimi schreibt, hat
sich für die Zeichnung von Totengräber
Max Broll, der bisher in „Die Schöne und
der Tod“ und „Für immer tot“ aufgetreten
ist, mit Totengräbern und Bestattern un-
terhalten und recherchiert derzeit in der
Innsbrucker Gerichtsmedizin.
Die Qualität solcher Forschungen,
die Genauigkeit bei der Entwicklung der
Idee und die Ausschmückung der nack-
ten Tatsachen mit Details über Personen
oder Orte macht sich am Ende durchaus
bezahlt. Auch wenn alle drei Autoren
in erster Linie spannende Geschichten
erzählen, haben bei der Lektüre andere
Elemente oft ebenso viel Gewicht wie die
Verbrechensaufklärung.
Wo der Tod lauert. Gute Krimis hal-
ten ihre Leser nicht nur in Atem, sondern
Lina Hofstädter: „Oberfl äche bieten, ohne Tiefgang zu verlieren“
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EIGENE WERKE UND LIEBLINGSKRIMIS
BERNHARD AICHNERFür immer tot, Haymon Verlag 2011.Totengräber Max Broll sucht seine Stiefmutter, die lebendig begraben wurde und nur über ein Handy erreichbar ist.
Buchtipp: die ersten Krimis von Fred Vargas
LENA AVANZINITod in Innsbruck, Emons Verlag 2011.Studentin Vera Meyring gerät als Verdächtige in eine Mordserie.
Buchtipp: die Krimis von Wolf Haas
LINA HOFSTÄDTERSatansbrut, TAK 2011.Im Pitztal entdeckt eine Volkskundlerin die Leiche eines Jugendlichen, der sich mit Satanskulten beschäftigt hat.
Buchtipp: Dorothy Sayers, Mord braucht Reklame
wecken auch ihr Interesse für das nicht
kriminalistische Geschehen und den Hin-
tergrund, vor dem es sich abspielt. Bei Lina
Hofstädter fungiert – nach dem Bergisel
und einem typischen Tiroler Tourismus-
großbetrieb – das Pitztal als Kulisse, Lena
Avanzini beschreibt authentische und
fi ktive Plätze in Innsbruck, während Bern-
hard Aichner in der Frage des Ortes, einem
Dorf in Westösterreich, lieber unbestimmt
bleibt (auch wenn Totengräber Max Broll
durchaus wie Aichner selbst aus Osttirol
stammen könnte).
Aber ob exakt bestimmbar oder nur
ungefähr auf eine Region einzugrenzen:
Lokalkolorit verleitet die Leser dazu, sich
über die Lektüre des Krimis hinaus mit der
jeweiligen Gegend zu beschäftigen. Wer
hätte nicht schon im Geiste mit Donna
Leon Venedig durchstreift, mit Kinky
Friedman Texas und New York erlebt oder
sich bei Collin Cotterills Dr.-Siri-Reihe ins
Laos der 1970er-Jahre versetzt gefühlt?
Mord als Attraktion. Oft machen es
einem dann gerade die Brüche zwischen
Realität und Image, die Konfrontationen
von Protagonisten und Staatsgewalt
oder die inneren Konfl ikte der Figuren
unmöglich, ein Buch wieder aus der
Hand zu legen. Die Zerrissenheit eines
Max Broll und sein manchmal exzessiver
Umgang mit Alkohol, die Schilderungen
der mehr oder weniger komplizierten
Liebesbeziehungen von Vera Meyring und
Patrizia Federspiel sorgen für zusätzliche
Spannung. Tirolspezifi ka wie die Eigen-
heiten des heimischen Tourismus, neuere
Entwicklungen des Brauchtums oder die
Konfrontation zwischen Katholizismus
und anderen Denkungsarten vermitteln
darüber hinaus ein Tirolbild, das die
gängigen Images eines Tourismuslandes
wohltuend ergänzt. Und auch wenn es
vielleicht mancher Politiker, manche
Touristikerin nur ungern sieht, verleiht es
einer Gegend doch ein geschärftes Profi l,
das über große Strahlkraft verfügt.
Insofern kann man nur ho� en, dass
Lina Hofstädter bald ihren sechsten Krimi
verö� entlicht, Bernhard Aichner Max Broll
sicher durch seinen dritten Fall führt und
Lena Avanzini mit ihrem geplanten zweiten
Werk an ihr erstes anschließen kann. Ti-
roler und Nicht-Tiroler Leser werden sich,
wie schon bisher, in großer Zahl fi nden. ×
TIROL-TATORT NR. 11: LOHN DER ARBEIT
Der Tatort macht in Hall in Tirol Sta-tion. Zum elften Mal ermittelt Moritz Eisner nach einem Drehbuch von Felix Mitterer. „Lohn der Arbeit“ beruht auf einer wahren Geschichte und handelt von mazedonischen Schwarzarbeitern, die abgeschoben werden, ohne dass ihre Arbeit auf einer Tiroler Baustelle bezahlt worden wäre.(Sendetermin: 28. August 2011, 20:15 Uhr in ORF 2).
Lena Avanzini: Debütroman mit einer
Studentin in Musikerkreisen
Bernhard Aichner: ein Totengräber als Held
mit Hang zum Alkohol
DER TRACHTENEXPERTE FÜR DAMEN, HERREN & KINDERLeopoldstr. 28, 6020 Innsbruck, Tel.: + 43 512 578691, Fax: 573738
Öffnungszeiten: Mo - Fr: 9:00 - 18:00 Uhr, Sa: 9:00 - 13:00 UhrErster Samstag im Monat: 09:00 - 17:00 Uhr
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„Hoamat Liab“Harry Prünster für Heu & Stroh
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49 SAISON
KOMMENTARE
Auf der Suche nach einem Tiroler Lebensgefühl VON ALOIS SCHÖPF
Die Hochschaubahn im Wald VON ERNS T MOLDEN
Alois Schöpf lebt als Journalist und Schriftsteller in Lans.
Ernst Molden lebt als Liedermacher und Schriftsteller in Wien. Sein neues Album ES LEM (monkeymusic) wurde eben mit dem Preis der Deutschen Schall-plattenkritik ausgezeichnet.
V or ein paar Wochen fuhr ich spät nachts durch
eines unserer wunderschönen Dörfer, in dessen
Zentrum ein Dor� est beim Ausklingen war. Ich
muss heute noch lachen, wenn ich das Bild der
wackeren Mander vor mir sehe, die eng umschlungen wie Lie-
bespaare am Straßenrand lagen und jede Menge Bierfl aschen
neben sich stehen hatten, sodass man als Autofahrer richtigge-
hend einen Parcours um sie zu vollführen hatte.
Schon weniger lustig im streng volkskulturellen Sinn fand
ich ein Schützenfest, das mit einem Zapfenstreich erö� net wurde,
bei dem von prominenten Rednern die Traditionen unseres Lan-
des in den Himmel gehoben wurden. Das änderte zu ebener Erde
nichts daran, dass der Eintritt ins Festzelt sieben Euro kostete und
bei üblicher gastronomischer Unterschichtästhetik auf der Bühne
nicht eine Musikkapelle ihr Equipment aufgebaut hatte, sondern
ein aus dem staatlichen Landfunk bekannter DJ. Ich gestehe,
dass mir bei so viel Aggiornamento an die jungbauernschaftliche
Popkultur übel wurde und die Veranstalter zumindest auf meine
Eintrittskarte verzichten mussten.
Endgültig rufschädigend wird es, wenn man bald wö-
chentlich Zeitungsberichte liest, in denen von Raubüberfällen
M eine Liebste und ich verehren die Natur und
gehen gern hinein. Ich bin dabei bedingungslos,
meine Hingabe gehört der Natur mit allen ihren
Bausteinen. Ich nehme alle Pfl anzen und alle
Tiere, sogar die Nacktschnecken, die Gelsen und, okay, die Spinnen,
in mein Herz auf, wenn ich in die Natur hineingehe, denn auch wenn
manche von ihnen nerven, so wäre die Natur doch kleiner, wenn
auch nur eines fehlte, wie es im schönen Lied von den Sterndlein
heißt. Meine Liebste stänkert zwar über einen Teil der Tiere, würde
sich die Natur aber dennoch niemals vermiesen lassen.
Nun, da wir Eltern sind, nehmen wir die Kinder mit in die Na-
tur. Wir mieten uns beispielsweise beim entzückenden Kobichl-
Bauern am Annaberg ein und dann gehen wir hinein in die Natur,
wir zeigen den Kindern alles, und kurz sind sie echt beeindruckt.
Dann aber stößt irgendeins von ihnen jenes Wort hervor, von dem
sich Eltern am meisten fürchten, wenn sie mit den Kindern in der
Natur sind: fad.
Und dann sucht man mitten in der Natur irgendwas, das de-
naturalisiert genug ist, um die Fadesse der Kinder zu beenden. In
Türnitz nicht weit von Annaberg fanden wir schließlich die berühmte
und Schlägereien mit der Polizei bei Sommer-
festen die Rede ist und die Zahl der Verletzten
immer öfter die Zahl der vorhandenen Urinale
übersteigt.
Christoph Engl, der Direktor der Südtiro-
ler Marketinggesellschaft und damit o� zieller
Vordenker eines befreundeten touristischen Hauptkonkurrenten,
wird nicht müde zu betonen, dass es im Tourismus nicht darum
gehe, geografi sche Orte zu verkaufen, sondern dem Konsu-
menten ein besonderes Lebensgefühl zu vermitteln. Wie das die
Toskana seit Jahrzehnten vormache! Und wie es sich
Südtirol zum Vorbild nehme.
Ja, lieber Dr. Engl, ich möchte mich hundert-
prozentig Ihrer Sicht der Dinge anschließen! Leider
überkommt mich dabei eine gewisse Panik, die sich
verstärkt, wenn mir einfällt, dass bei uns in Nordtirol
einige Orte schon anfangen, mit schlechten Fernsehserien, die
bei ihnen gedreht wurden, um Gäste zu werben. Und mein Zu-
stand verbessert sich mitnichten, wenn ich Revue passieren lasse,
welche Musik und Schlagerstars wir von Tirol aus – betrachtelt
oder nur belederhost – in die Medienwelt entsenden.
Beim besten Willen fi nde ich da kein Lebensgefühl, für das
ich mich nicht schämen müsste und, vor allem, für das unsere
Vier-Sterne-Hotels einen Preis verlangen können, der einen fai-
ren Gewinn verspricht. ×
Sommerrodelbahn, genannt: der Eibl-Jet. – Jaja,
das ist lustig, hatte die Kobichl-Bäuerin eher ge-
seufzt als gesagt. Und ich hatte so Erinnerungen
an eine alte Sommerrodelbahn im Wechselge-
birge, so bemooste Schienenstränge im grünen
Wald, darauf legte man beräderte Bretteln und
fuhr abwärts.
Der Eibl-Jet hingegen war ein brunzgelbes, hochschaubahn-
artiges Ungetüm, dessen Wagerln unter nicht naturnahem Gerassel
erst von einer Kette bergan gezogen wurden, um schließlich über
ein Gestänge, für das ein ganzer Wald hatte fallen müssen, berg-
ab zu rasen. Viel zu kurz für das viele Geld fuhren die Söhne und
ich hinunter. Unten warteten wir auf die Liebste und die
Tochter, die ewig nicht daherkamen. Schließlich sahen wir
das Wagerl, das, von den Damen furchtsam gebremst, zu
Tal glitt. Hinter den Damen kamen fünf weitere Wagerln
mit zornesroten Niederösterreichern, die anschließend
ihr Geld zurückverlangten.
Ich gratulierte meinen Mädels, die sich ein bisschen
schämten, dafür, dass sie den Eibl-Jet mit ihrer Geschwindigkeits-
verweigerung irgendwie renaturalisiert hatten. Abends im weichen
Kobichl-Bett träumte mir, wie abertausende Schnecken, Gelsen und
Spinnen über den Eibl-Jet krochen und ihn bedeckten, bis nichts
mehr von ihm zu sehen war.
„Der Eibl-Jet hingegen war ein brunzgelbes, hochschaubahnartiges Ungetüm, dessen Wagerln unter nicht naturnahem Gerassel erst von einer Kette bergan gezogen wurden.“
„Endgültig rufschädigend wird es, wenn man bald wöchentlich Zeitungsberichte liest, in denen von Raubüberfällen und Schlägereien mit der Polizei bei Sommerfesten die Rede ist.“
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50 SAISON
NACHGEFRAGT
DREI SCHÖNE ORTE AUF DER WELT (AUSSERHALB TIROLS): Venedig, Barcelona, Hamburg
DIE GRÖSSTEN TUGENDEN IM TOURISMUS: echtes Interesse am Gast
DIE GRÖSSTEN SÜNDEN IM TOURISMUS: wahrscheinlich Oberfl ächlichkeit
DIE STÄRKEN DES TIROLER TOURISMUS: Natur und hervorragende Infrastruktur
DIE SCHWÄCHEN DES TIROLER TOURISMUS: vielleicht zu wenig Selbstbewusstsein
DIE BESTE IDEE DER LETZTEN FÜNF JAHRE: wird ho� entlich realisiert
LETZTER URLAUB (WANN UND WO?): Sardinien Sommer 2011
ICH LERNE VON: jedem Mensch, mit dem ich zu tun habe
DAS KÖNNTEN TIROLS TOURISTIKER GUT GEBRAUCHEN: viel Kraft für Innovationen
MEIN LIEBSTER ORT IM ZILLERTAL: mein Zuhause
GENUSS BEDEUTET FÜR MICH: Lebensfreude
DEM SOMMERTOURISMUS FEHLT: leider des Öfteren das schöne Wetter
FÜR DAS ZILLERTAL ERTRÄUME ICH MIR: eine erfolgreiche Weiterentwicklung
ICH BEWUNDERE (PERSON): Woody Allen
ICH ENTSPANNE MICH BEI: einem Glas (Zillertal-)Bier
1 5 FR AG EN A N . . .
Martin Lechner
Martin Lechner ist Geschäfts-führer der Traditionsbrauerei Zillertal Bier.
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EINZIGARTIGKEIT IN SERIE.
Warum der neue RX so einzigartig ist, lässt sich schnell erklären: ein Crossover trifft auf ein Vollhybrid-System, das neben dem elektrischen Allradantrieb auch rein elektrisches Fahren ermöglicht. Das Resultat: ein Verbrauch von 6,3l/100km. Einzigartigkeit, von der Sie sich am besten selbst überzeugen sollten. Jetzt zur Probefahrt anmelden unter: LEXUS SERVICE-LINE 01-610 04 610.
RX 450h
PS299
145g/km co2
Abbildungen sind Symbolfotos. Normverbrauch: 6,3 l/100 km, CO2-Emission: 145 g/km
RX 450h dER EINZIGARTIGE vollhybRId
Manfred Ellensohn Ges.m.b.h.Mitterweg 29, 6020 InnsbruckTel: +43 512 282 554-0 [email protected]
lEXUS INNSbRUcK
RX innsbr_210x280_145g.indd 1 8/18/2011 8:20:48 AM