Angiolo Procissi: Bibliografia matematica della Grecia classica e di altre civiltà antiche....

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264 BerWissGesch 5 (1982): Rezensioner Arbeiten der englischen Schule in Berührung gekommen. In einer viel beachteten experimentellen Untersuchung hatte er 1874 die von der Maxwellsehen Theorie geforderte Relation zwischen Dielektri- zitätskonstante und Brechungsindex in guter Übereinstimmung mit seinen Ergebnissen gefunden. Dieses Resultat war eine der ersten experimentellen Bestätigungen der Theorie überhaupt. Bald gehörte Boltzmann zu ihren besten Kennern und den eifrigsten Verfechtern auf dem europäischen Festlande. Immer wieder versuchte er in der folgenden Zeit - während der Naturforscherversammlungen und in seinen Schriften - der Maxwellsehen Theorie die gebührende Anerkennung zu verschaffen. Die 1891 und 1893 von ihm in zwei Teilen veröffentlichten Vorlesungen über Maxwells Theorie der Elektricität und des Lichtes dienten ebenfalls diesem Zwecke und bildeten wahrscheinlich den Grundstock der damals von ihm während seines Aufenthalts in München durchgeführten Veranstaltungen. Dem Geiste der Zeit und seiner eigenen Neigung entsprechend, ist seine Darstellung noch von dem Bestreben erftillt, eine mechanische Grundlage ftir die elektromagnetischen Erscheinungen zu schaffen und diese durch handgreifliche Modelle zu veranschaulichen. Verfehlt wäre es jedoch, daraus zu schließen - wie auch Lorentz in seinem Nachruf auf Boltzmann betonte-, daß er in diesen sinnbild- lichen Darstellungen mehr als nur ein heuristisches und didaktisches Hilfsmittel gesehen habe. Trotz der raschen Entwicklungen in den folgenden Jahrzehnten infolge der vorwiegend von H. A. Lorentz entwickelten Elektronentheorie durch Heaviside und Hertz, erfreuten sich Boltzmanns Vorlesungen weiterhin großer Beliebtheit; nicht zuletzt wegen der ansprechenden, klaren und elegan- ten Darstellungsweise, aber wohl auch, weil mechanistisches Denken weiterhin der Mehrzahl der da- maligen Physiker mehr zusagte. Bereits 1908 wurde eine zweite Auflage notwendig. Auch wenn die Vorlesungen für den heutigen Physiker längst überholt sind, wird eine Lektüre selbst dem Fachmann noch manche Anregungen bieten können. Für historisch interessierte Leser gehört das Werk dagegen zu den großen Klassikern dieser Zeit, ohne welches ein Studium und Verständnis der Physik des ausgehenden 19. Jahrhunderts undenkbar wäre. Besonders um diesen wissenschaftshistorischen Belangen gerecht zu werden, hat Walter Kaiser die geschichtlichen Zusammenhänge in einer Einleitung klarzulegen versucht. Zusätzliche Anmerkungen zum eigentlichen Text erschließen die von Boltzmann angesprochene Literatur und geben manchen nützlichen Hinweis. Wünschenswert wäre darüber hinaus manchmal auch eine kurze Erläuterung des Zusammenhanges mit der heute üblichen Auffassung gewesen. Eine Erweiterung des von Boltzmann beigefügten >>Schlüssels« zur Übersetzung der verschiedenen damals für die elektrodynamischen Größen verwendeten Bezeichnungen hätte dem modernen Benutzer die Handhabung wesentlich er- leichtern können. Die spärlichen Verweise auf neuere wissenschaftshistorische Untersuchungen ver- mitteln den Eindruck, daß dieser Teil des Boltzmannschen Vermächtnisses von historischer Seite bisher kaum bearbeitet ist. Die Rezeptions- und Wirkungsgeschichte der hier von Boltzmann eingeführ- ten Betrachtungsweise (wie z. B. die durch G. F. Fitzgerald, 0. Lodge, Kelvin, Rayleigh, H. Ebert, A.W.S. Franklin, F. Hasenöhrl, F. Kohlrausch u. a. fortgesetzten Modellkonstruktionen zur Veran- schaulichung verschiedener Aspekte der Theorie und ihre Verwendung in der Schuldidaktik um die Jahrhundertwende) sind interessante Themen, die künftigen Untersuchungen vorbehalten bleiben. Die neuen Brieffunde aus der Korrespondenz Boltzmanns mit den englischen Kollegen (wie zum Beispiel mit Kelvin und Fitzgerald) werden wahrscheinlich noch einiges Licht auf die interessante internatio- nale Zusammenarbeit der damaligen Physikergeneration werfen. Zuletzt sei auch noch auf ein kleines technisches Versehen bei dieser Neuauflage hingewiesen. Durch Weglassung des Formelverzeichnissesam Ende des Werkes sind im Band 2 einige Verweise im Text für den uneingeweihten Leser unverständlich. Außerdem hätte ein sorgfältiges Personen- und Sachregister gerade wegen des vorwiegend historischen Charakters ohne Zweifel den Benutzerwert wesentlich er- höhen können. Es liegt mir jedoch fern, durch diese Bemerkungen die äußerst verdienstvolle Heraus- gabe dieser Boltzmannschen Schrift im Rahmen der großen Gesamtausgabe in irgendeiner Weise zu schmälern; vielmehr möchte ich sie als Ausdruck des lebhaften Interesses an dem weiteren Gelingen des Unternehmens verstanden wissen. Karl von Meyenn, Stuttgart Angiolo Procissi: lßibliografia matematica della Grecia classica e di altre civilta antiche. Florenz: La Nuova Italia Editrice. 149 Seiten, L. 12 000. ( = Bolletino di storia delle scienze matematiche [Herausgeber: Unione Matematica Italiana; Direttore responsa- bile: Carlo Pucci], Anno I, numero 1 /Juni 1981.) Die von der Italienischen Mathematiker-Vereinigung herausgegebene neue mathematikgeschichtliche Zeitschrift startet mit einer Bibliographie zur Geschichte der griechischen und antiken außergriechi- schen Mathematik von Angiolo Procissi, die das gesamte erste Heft einimmt. ,Mathematik' ist hier

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264 BerWissGesch 5 (1982): Rezensioner

Arbeiten der englischen Schule in Berührung gekommen. In einer viel beachteten experimentellen Untersuchung hatte er 1874 die von der Maxwellsehen Theorie geforderte Relation zwischen Dielektri­zitätskonstante und Brechungsindex in guter Übereinstimmung mit seinen Ergebnissen gefunden. Dieses Resultat war eine der ersten experimentellen Bestätigungen der Theorie überhaupt. Bald gehörte Boltzmann zu ihren besten Kennern und den eifrigsten Verfechtern auf dem europäischen Festlande. Immer wieder versuchte er in der folgenden Zeit - während der Naturforscherversammlungen und in seinen Schriften - der Maxwellsehen Theorie die gebührende Anerkennung zu verschaffen. Die 1891 und 1893 von ihm in zwei Teilen veröffentlichten Vorlesungen über Maxwells Theorie der Elektricität und des Lichtes dienten ebenfalls diesem Zwecke und bildeten wahrscheinlich den Grundstock der damals von ihm während seines Aufenthalts in München durchgeführten Veranstaltungen.

Dem Geiste der Zeit und seiner eigenen Neigung entsprechend, ist seine Darstellung noch von dem Bestreben erftillt, eine mechanische Grundlage ftir die elektromagnetischen Erscheinungen zu schaffen und diese durch handgreifliche Modelle zu veranschaulichen. Verfehlt wäre es jedoch, daraus zu schließen - wie auch Lorentz in seinem Nachruf auf Boltzmann betonte-, daß er in diesen sinnbild­lichen Darstellungen mehr als nur ein heuristisches und didaktisches Hilfsmittel gesehen habe.

Trotz der raschen Entwicklungen in den folgenden Jahrzehnten infolge der vorwiegend von H. A. Lorentz entwickelten Elektronentheorie durch Heaviside und Hertz, erfreuten sich Boltzmanns Vorlesungen weiterhin großer Beliebtheit; nicht zuletzt wegen der ansprechenden, klaren und elegan­ten Darstellungsweise, aber wohl auch, weil mechanistisches Denken weiterhin der Mehrzahl der da­maligen Physiker mehr zusagte. Bereits 1908 wurde eine zweite Auflage notwendig.

Auch wenn die Vorlesungen für den heutigen Physiker längst überholt sind, wird eine Lektüre selbst dem Fachmann noch manche Anregungen bieten können. Für historisch interessierte Leser gehört das Werk dagegen zu den großen Klassikern dieser Zeit, ohne welches ein Studium und Verständnis der Physik des ausgehenden 19. Jahrhunderts undenkbar wäre.

Besonders um diesen wissenschaftshistorischen Belangen gerecht zu werden, hat W alter Kaiser die geschichtlichen Zusammenhänge in einer Einleitung klarzulegen versucht. Zusätzliche Anmerkungen zum eigentlichen Text erschließen die von Boltzmann angesprochene Literatur und geben manchen nützlichen Hinweis. Wünschenswert wäre darüber hinaus manchmal auch eine kurze Erläuterung des Zusammenhanges mit der heute üblichen Auffassung gewesen. Eine Erweiterung des von Boltzmann beigefügten >>Schlüssels« zur Übersetzung der verschiedenen damals für die elektrodynamischen Größen verwendeten Bezeichnungen hätte dem modernen Benutzer die Handhabung wesentlich er­leichtern können. Die spärlichen Verweise auf neuere wissenschaftshistorische Untersuchungen ver­mitteln den Eindruck, daß dieser Teil des Boltzmannschen Vermächtnisses von historischer Seite bisher kaum bearbeitet ist. Die Rezeptions- und Wirkungsgeschichte der hier von Boltzmann eingeführ­ten Betrachtungsweise (wie z. B. die durch G. F. Fitzgerald, 0. Lodge, Kelvin, Rayleigh, H. Ebert, A.W.S. Franklin, F. Hasenöhrl, F. Kohlrausch u. a. fortgesetzten Modellkonstruktionen zur Veran­schaulichung verschiedener Aspekte der Theorie und ihre Verwendung in der Schuldidaktik um die Jahrhundertwende) sind interessante Themen, die künftigen Untersuchungen vorbehalten bleiben. Die neuen Brieffunde aus der Korrespondenz Boltzmanns mit den englischen Kollegen (wie zum Beispiel mit Kelvin und Fitzgerald) werden wahrscheinlich noch einiges Licht auf die interessante internatio­nale Zusammenarbeit der damaligen Physikergeneration werfen.

Zuletzt sei auch noch auf ein kleines technisches Versehen bei dieser Neuauflage hingewiesen. Durch Weglassung des Formelverzeichnissesam Ende des Werkes sind im Band 2 einige Verweise im Text für den uneingeweihten Leser unverständlich. Außerdem hätte ein sorgfältiges Personen- und Sachregister gerade wegen des vorwiegend historischen Charakters ohne Zweifel den Benutzerwert wesentlich er­höhen können. Es liegt mir jedoch fern, durch diese Bemerkungen die äußerst verdienstvolle Heraus­gabe dieser Boltzmannschen Schrift im Rahmen der großen Gesamtausgabe in irgendeiner Weise zu schmälern; vielmehr möchte ich sie als Ausdruck des lebhaften Interesses an dem weiteren Gelingen des Unternehmens verstanden wissen.

Karl von Meyenn, Stuttgart

Angiolo Procissi: lßibliografia matematica della Grecia classica e di altre civilta antiche. Florenz: La Nuova Italia Editrice. 149 Seiten, L. 12 000. ( = Bolletino di storia delle scienze matematiche [Herausgeber: Unione Matematica Italiana; Direttore responsa­bile: Carlo Pucci], Anno I, numero 1 /Juni 1981.)

Die von der Italienischen Mathematiker-Vereinigung herausgegebene neue mathematikgeschichtliche Zeitschrift startet mit einer Bibliographie zur Geschichte der griechischen und antiken außergriechi­schen Mathematik von Angiolo Procissi, die das gesamte erste Heft einimmt. ,Mathematik' ist hier

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korrekt im antiken Sinne gefaßt, also einschließlich der mathematischen Naturwissenschaften, insbe­sondere der Astronomie. Die Bibliographie ist gegliedert in:

(I) Repertorio bibliografico degli antichi matematici di lingua greca - eine alphabetisch nach Mathe­matikern geordnete biobibliographische Übersicht mit Angaben über Leben und Werke sowie Überliefe­rung und Fortwirken (letzteres wenigstens flir die wichtigeren, "größeren" Autoren: Apollonios von Perge, Archirnedes, Diophantos, Eukleides, Eudoxos, Heron von Alexandria [ = Erone] , Pappos von Alexandria, Proklos, Ptolemaios [ = Tolemeo]; nur beschränkt ftir die -jedenfalls als Mathematiker -im "zweiten Glied" stehenden: Aristarchos, Aristoteles, Nikomachos von Gerasa, Pythagoras/Pytha­goreer, Platon), Bibliographie der (wichtigsten) Ausgaben sowie Sekundärliteratur (Scritti relativi),

(II) Lavori generali (281 Nummern nicht auf Einzelpersonen bezogener Sekundärliteratur), (III) Appendice (S. 109-149): (1) Saggio bibliografico sulla storia generale delle matematiche (201

Nummern, darunter Werke aus dem 17. und 18. Jahrhundert, hier sporadisch mit kurzen Band-Inhalts­angaben), (2) Bibliografia relativa alla storia delle matematiche antiche, gegliedert in: a) Ägypten, b) Assyrien, Babylonien, Chaldäa, c) Indien, d) Japan (74 Nummern, davon allein 25 Arbeiten von T. Hayashi aus den Jahren 1905 bis 1936), e) China und f) Mittelamerika (Maya-Kultur).

Die bibliographisch aufgenommenen Titel sind darüberhinaus nicht klassifikatorisch geordnet oder qualitätsmäßig bzw. nach Aktualität beurteilt oder gegliedert. Außer einigen italienischen und ganz wenigen anderen Titeln ist nur die Sekundärliteratur aufgenommen worden, die in den beiden Referate­organen flir Mathematik Jahrbuch für die Fortschritte der Mathematik und Mathematical Reviews (nicht aber etwa im Zentralblatt für Mathematik und ihre Grenzgebiete) rezensiert oder angezeigt worden ist. Daraus erklärt sich dann auch die relativ schwache Berücksichtigung der jüngeren mathema­tikgeschichtlichen Literatur und das Fehlen wichtiger älterer Titel. So dankbar man auch ftir die kurze Nennung der (meist kurzen) Rezension/Anzeige in den genannten Referatorganen ist, so vermißt man doch eine Auswertung etwa der Bibliographie von Kenneth 0. May (Bibliography and Research Manu­al of the History of Mathematics, Toronto 1973), der Literaturnennungen in der Zeitschrift Historia Mathematica oder der jährlichen Critical Bibliographies der Zeitschrift /sis, die den Wert der hier vorgestellten Bibliographie als einfUhrendes Arbeitsmittel hätte erhöhen können.

Fritz Krafft, Mainz

Bibliotheca Lichtenbergiana. Katalog der Bibliothek Georg Christoph Lichtenbergs, her­ausgegeben von Hans Ludwig Gumbert. (Beiträge zum Buch- und Bibliothekswesen, Bd. 19) Wiesbaden: Otto Harrassowitz 1982. XXIV., 349 Seiten, broschiert DM 128,-.

Ein Verzeichnis der Bücher, die ein großer Mann besessen und gelesen hat, sollte eigentlich zum Primärsten der Sekundärliteratur gehören. (Wegen der damit verbundenen Arbeit wird ein solcher Wunsch aber meistens spät oder nie erftillt.) Für einen Gelehrten des 18. Jahrhunderts und, mehr noch, fiir einen der bedeutendsten Autoren deutscher Sprache, für Georg Christoph Lichtenberg, haben wir jetzt ein solches Buch seiner Bücher. Es beruht zunächst auf dem Katalog der nach Lichtenbergs Tod erfolgten Versteigerung seiner Bibliothek. Diese schon bekannte, hier aber erstmals geordnete, berei­nigte und kommentierte Liste wurde um ca. 30% vermehrt durch Hinzunahme eines Herausnahme­Verzeichnisses (ftir Lichtenbergs Kinder), einer Lichtenbergsehen Ausleihliste und durch Funde in der Korrespondenz und im Nachlaß. Damit kommt es zu einem Bestand von ca. 4000 Titeln, der sich etwa zu gleichen Teilen aus mathematisch-naturwissenschaftlichen und aus geisteswissenschaftlichen Büchern zusammensetzt. Der Katalog ist mit Sicherheit nicht vollständig, außerdem ist bei seiner Benutzung folgendes zu bedenken:

Der Herausgeber hat nur solche Bücher aufgenommen, die sich irgendwann einmal im Besitz Lich­tenbergs befunden haben, eine ergänzende Liste von Büchern, deren Lektüre nachgewiesen ist, bleibt noch aufzustellen. - Wie vom Herausgeber betont, ist der mittlere Umfang der Bibliothek doch beachtlich, wenn man das Fehlen eines finanziellen Hintergrundes bei Lichtenberg und seine großen Ausgaben für Instrumente in Betracht zieht. Durch die zunehmende Besserung seiner finanziellen Situation im Laufe seines Lebens wird es zu einer entsprechenden Erleichterung des Bücher-Ankaufs gekommen sein; in gleicher Richtung wirkte seine zunehmende Berühmtheit hinsichtlich der Ge­schenke. Damit werden dann auch die Gebiete, die ihn in späteren Perioden seines Lebens interessiert haben, übergewichtig repräsentiert sein und umgekehrt.

Der große Vorzug des Katalogs besteht in seiner Ordnung nach Sachgebieten. Dabei ist es sehr zu begrüßen, daß der mathematisch-naturwissenschaftliche Teil nicht nach heutigen, sondern nach den Kriterien des 18. Jahrhunderts gegliedert worden ist. Dann allerdings müßte man die Geodäsie, Zeit­messung und den größten Teil der Kosmographie unbedingt zur Astronomie schlagen. Tut man es, so ergibt sich ein Verhältnis von Astronomie: Physik = 151 : 318 Titeln (in dem die Periodika nicht enthalten sind). Berücksichtigt man weiter, daß die Physik selbst dann noch ein Sammelbecken ftir Themen wie "Vulkane und Erdbeben" bleibt und daß die Astronomie eher den jungen Jahren Lichten­bergs zuzuordnen ist, so mögen diese zwei Bereiche wohl gleichgewichtig flir ihn gewesen sein.