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PONTIFICIO COMITATO DI SCIENZE STORICHE AM E DOCUMENTI 12 LIDEA DI GERUSALEMME HELLA SPIRITTJAIITA CRISTIANA DEL MEDIOEVO Atti del Convegno internazionale in collaborazione con l'Istituto della Görres-Gesellschaft di Gerusalemme Gerusalemme, Notre Dame of Jerusalem Center, 31 agosto -6 settembre 1999 LIBRERIA EDITRICE VATICANA 00120 CITTA DEL VATICANO ý

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PONTIFICIO COMITATO DI SCIENZE STORICHE

AM E DOCUMENTI

12

LIDEA DI GERUSALEMME HELLA SPIRITTJAIITA CRISTIANA

DEL MEDIOEVO Atti del Convegno internazionale

in collaborazione con l'Istituto della Görres-Gesellschaft di Gerusalemme

Gerusalemme, Notre Dame of Jerusalem Center, 31 agosto -6 settembre 1999

LIBRERIA EDITRICE VATICANA 00120 CITTA DEL VATICANO

ý

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DAS CHRISTLICHE JERUSALEM ALS VORBILD FÜR DIE MITTELALTERLICHE STADTPLANUNG

DER STÄDTEBAU DER HEILIGEN

Prof. Dr. G. LAVAS

Universität von Athen

Jerusalem ist in vielerlei Hinsicht die erste christliche Stadt; sie ist »Mut- ter der Kirchen« wie auch »Matrix« der städtebaulichen Umwälzung, die das Bild der Städte des romischen Imperiums nach der Verbreitung des Chri-

stentums erfahren hat (Abb. 1). Diese Umwälzung betrifft sowohl die städte- bauliche Struktur -, vie auch die Funktion der neuen monumentalen Bauten, die in den bestehenden großen und kleinen urbanen Zentren des Imperiums in großer Menge entstehen und allmählich das Stadtbild beherrschen.

Wie bekannt, wird das sogenannte »hippodamische« System der griechi- schen Städte während der römischen Zeit in einer strengeren geometrischen Variante gehandhabt. Hauptachsen, wie Cardo und Decumanus mit paralle- len Nebenstrassen bilden eine klarstrukturierte Raumorganisation mit Haupt- kreuzungen, Tetrapyla, Fora und Triumphbögen (OpLOC 4tp. xä Töýa) oder Ar- kaden (aviSt; ). Dieser jahrhundertealten Tradition wird nun ein tiefer Schlag versetzt, während sich das Christentum im vierten Jahrhundert n. Chr.

mit seinen monumentalen Bauten in den heidnischen Städten triumphierend manifestiert. Die zahlreichen Kirchen, Baptisterien, Bischofssitze und die wei- teren öffentlichen Bauten der neuen Religion, welche sich im bestehenden Stadtorganismus rigoros behaupten und das neue urbane Image prägen, ' ru- fen eine neue Raumkonzeption hervor, die wir am Beispiel Jerusalems, der

ersten »christlichen« Stadt, zeigen werden. Der Stadtplan Jerusalems weist, schon in der Zeit des Königs David (ca.

1000 v. Chr. ) bis zur Zerstörung der Stadt durch den römischen Kaiser Titus (70 n. Chr. ), die hebräische Raumkonzeption einer irregulären Siedlung auf: enge, unregelmäßige Strassen, größere unbebaute Flächen und Plätze, haben den großen Tempel, die Agora, weitere öffentliche Gebäude und die Woh-

nungsquartiere miteinander verbunden (Abb. 2). In dieser Raumorganisation

` Siehe G. LAVAS, OL : wv \ptanxvtxwv BxatatxWV, µtx auµ(3oaý atYjv 7soÄeo- So; Ltx : cu xvxro)sxo, 5 UJ. uptr. ov, Eiatp'iiatz, - IOov AceOvoüs rvvE821ov Xotaztavaxýs APxato- i. o7ia;, Ot ccx). ovsr ý 1980, pp. 408 if.

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scheint nicht eine vorgegebene Planungsidee zu dominieren: alles gliedert sich um einen zentralen Punkt, ein bedeutendes Monument oder auch eine Was-

serquelle, die den Kern der Siedlung bildet. Um diesen Punkt herum entste- hen dann die Bauten und die verbindenden Straßen und Wege. Im Alten Testament finden sich interessante Beschreibungen von solchen freigewache-

nen Wegen und Strassen, und es wird auch erwähnt, daß sie voller Schlamm

und Mist waren? Die bisherigen archäologischen Funde und Befunde und die daraufzu-

rückgehenden graphischen Rekonstruktionen des Jerusalemer Stadtplanes im Laufe der Jahrhunderte verdeutlichen dies: es handelte sich tatsächlich um ei- ne Siedlungsstruktur mit losen Beziehungen zwischen den Baumassen und den freien unbebauten Flächen. Auch in der Zeit Jesu zeigt sich derselbe Charakter in der Form der Stadtmauer, des Strassennetzes, der Wohnungs-

gruppierungen und auch der monumentalen trapezoidalen Substruktur des Tempels, der gerade wenige Jahre vorher (18 v. Chr. ) wiederaufgebaut wor- den war' (Abb. 3,4).

Diese Stadt wurde durch Kaiser Titus zerstört. Von seinen Bewohnern

verlassen, blieb Jerusalem bis ins Jahr 135 n. Chr. in Ruinen. Hadrian hatte

es im Jahre 129 n. Chr. besucht und beschlossen, die Stadt wiederaufzubau- en. Wenige Jahre später realisierte er sein Vorhaben. Um die revoltierenden Juden zu bestrafen, 4 hatte sich Hadrian nicht nur für eine im römischen Geiste konzipierte Planung entschloßen, sondern auch dafür, der Stadt einen neuen Namen zu geben: Colonia Aelia Capitolina ist von nun an der eher kurzlebige Name der historischen Stadt.

Das Straßensystem von Aelia Capitolina weist das typische Merkmal rö- mischer Kolonialstädte auf, mit dem Cardo von N. nach S. als der Haupt-

strasse und dem Decumanus von W. nach 0.; an der Kreuzung beider Straßen entstand ein Tetrapylon. Parallel verlaufende und sich kreuzende Ne- benstraßen rufen wieder das bekannte sog. »hippodamische« oder rechtwink- lige System in Erinnerung. Eine Abweichung von der strengen Orthogonalität

wurde gebildet, indem ein zweiter Cardo (breite Hauptstrasse) am selben Anfangspunkt, also beim heutigen Damaskustor, mit dem ersten Cardo zu- sammenfällt. Diese Hauptstrasse verläuft nicht gerade in einer parallelen

2 Vgl. J. BURGER, The Madaba and the courses of Jerusalems main North-South streets: a historical geographical view, in »Old Testament Essays«, Journal of the Old Testament Society

of South Africa, 6 (1), 1992, pp. 34 if. ' Für die Bauphasen der Stadt vgl. D. BAHAT, The Illustrated Atlas of Jerusalem, Jerusa-

lem 1990; DERS., Carla's Historical Atlas of Jerusalem, Jerusalem (ohne Datum), p. 36. ' Siehe JosEpHus FiAVtus, The Jewish war 7.1.1; D. BANAT, Carta's Historical Atlas,

op. cit., p. 30.

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Richtung, wie das übrige Straßensystem, sondern biegt sich zwischen der mo- numentalen Substruktur des ebenfalls zerstörten Tempels und dem Tyropoiei-

on-Tal hindurch (Abb. 5). Diese Abweichung ist durch die topographischen Gegebenheiten zu erklären. Die zwei öffentlichen Bäder, das Theater, das Tricameron (Kuhort für die römischen Gottheiten), das Tetranymphäum, das

»Dodecapylon« (die Zwölf Tore) sowie die Einteilung der Aelia Capitolina in

sieben Stadtbezirke sind weitere Merkmale der römischen Stadtplanung. Das Forum der Stadt wird zentral und nordwestlich vom Tetrapylon als quadrati- scher Platz angelegt. Eine ebenfalls monumentale Anlage befand sich im Nor- den des Forums: es handelt sich um den heiligen Bereich von Golgatha (Kreuzigungsort) und den Steinbruch mit dem Grab Christi. Beides wurde von den noch unter Verfolgung stehenden Christen sehr verehrt, denn hier

war, wie von Johannes dem Evangelisten, 19,41, überliefert, Jesu gekreuzigt und begraben worden (Abb. 6).

Diesen heiligen Ort der Christen beabsichtigte Hadrian, einer der schärf- sten Verfolger des Christentums, der »damnatio memoriae« anheimfallen zu lassen. ' Der Kaiser liess diesen Bereich zuschütten und baute darauf einen

' Hier wäre es vielleicht der Ort für einen kurzen Exkurs betreffend Form und Lage

von Golgatha. Bekanntlich ist die allgemeine Auffassung, dass der Kreuzigungsort ein Hügel

war, wie sehr oft die Hagiographen ihn darstellen oder die Historiker, die Theologen und die Hymnographen beschreiben und nennen. War er tatsächlich ein Hügel?

Sowohl die topographischen Gegebenheiten, wvie auch die Aposteln als Augenzeugen der

Kreuzigung oder andere schriftlichen Quellen, lassen kaum dieses Bild des Hügels gelten. Johannes (19,41) schreibt: »An dem Orte (nicht dem Hügel) aber, wo Jesus gekreuzigt wur- de, befand sich ein Garten und in dem Garten ein neues Grab, in den noch niemand besta-

tett worden war«. Gegen 160 n. Chr. schreibt Meliton, Bischof von Sardis, in seinem Homilie fl£pi ll&a, z (= Über den Ostern, §1 und 94), dass Jesus it£p6V£UTat ... £v itEaw 'l£pouaz-

ýý IL -. `r S)£w- -zvTwv öpwv: wv... (»Jesus ist ermordet mitten in Jerusalem ... mitten auf dem Platz und der Stadt

... während alle zugeschaut haben«). Diese

zweite schriftliche Quelle macht es ganz deutlich, dass Golgatha ein ebenes Gelände (Platz) war. Es ist viel später, nämlich im Jahre 333 n. Chr. als der Pilger von Bordeaux das Wort

»Hügel« benutzt. Er besucht Jerusalem und befindet sich auf dem Cardo im Richtung Norden

und schreibt: »... Wenn man zum Neapolistore (heutiger Damaskustor) geht, so sieht man auf der rechten Seite abwärts im Tal Mauern, wo das Haus oder Prätorium des Pontius Pila-

tus stand (... ) Auf der linken Seite aber liegt der Hügel Golgatha, wo der Herr gekreuzigt wurde... «. Lassen wir uns die topographische Situation auf dem Niveau des Cardo vorstellen: nach rechts geht tatsächlich das Gelände (heute noch) abwärts zum Tyropoieion-Tal während nach links und bzw N. W. steigt auf dem Gareb bis zu heutigen Neuen Tor (New Gate) mit einer Höhe von ca. 30 m vom Niveau der Grabeskirche. Am Fuss und in der Ebene gerade dieser Gegend befinden sich Grab und Garden, eher in einer Vertiefung, und Golgatha als ein Wange des dazwischen verlassenen Steinbruches in der Form eines Schädels. Der Pilger beschreibt damit zwei Stadtteile abwärts und aufwärts und nennt die Gegend von Gareb (wo

auch Grab und Golgatha gehören) Hügel, was teilweise Tatsache ist. Der Name Gareb ist für

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Aphroditetempel, so wie er an der Stelle des jüdischen Sankrosanktums einen Juppitertempel errichtet hatte. Der Aphroditetempel tangierte den Cardo ma- ximus, da seine östliche Hauptfassade zu dieser Hauptstrasse sah 6 (Abb. 7).

Die Errichtung des Jupiter- und des Aphroditeiempels an religiösen Or-

ten Jerusalems haben ganz offensichtlich das gleiche Ziel: es sind Maßnah-

men gegen die beiden dem Kaiserhaus feindlich gesinnten Religionen, gegen das Christentum, in dem Hadrian den stärkeren Rivalen zur kaiserlichen Au-

torität sah, da es eine opponierende Macht im ganzen römischen Imperium darstellte, und gegen das Judentum, das aber eher als ein lokaler Störungs- faktor angesehen wurde.

Auch die Stadtmauer der Aelia Capitolina wurde phasenweise bis ins 3. Jhdt. n. Chr. abgeschlossen. Ihre Form ist von dieser Zeit an bis zum 19. Jhdt. fast diesselbe geblieben.

Die christliche Phase Jerusalems (326-638 n. Chr. )

Mit dem Edictum Mediolani (312 n. Chr. ) wurde das Christentum von Kaiser Konstantin dem Großen anerkannt und zur offiziellen Religion des Imperiums gemacht. Diese neuen Gegebenheiten wirkten sich auf die städte- baulichen Konzeptionen aus, was sowohl auf Jerusalem als auch auf die an- deren städtischen Zentren zutrifft. Die neuen religiösen und sozialpolitischen Strukturen beeinflußen sowohl das äussere Stadtbild als auch die innere ur- bane Organisation. Jerusalem, die »erste christliche« Stadt, bildet im städte- baulichen Sinne das markante Beispiel für die erwähnte Einführung einer neuen Raumkonzeption, welche seitdem das ganze Mittelalter charakterisiert.

Gewisse Differenzierungen im Straßensystem und die Art der Plazierung der vielen neuen monumentalen Bauten, die der Manifestation des Christen- tums dienen sollen, scheinen die ersten neuen Elemente im alten Stadtorga-

nismus zu sein. Drei der bestehenden Hauptstraßen der Stadt - die beiden

schon erwähnten Cardines und eine dritte Hauptarterie im Nordosten (in der Nähe der nördlichen Seite des frühen jüdischen Tempels) - werden

ihn wahrscheinlich kaum bekannt. Golgatha (als Teil von Gareb) ist dagegen der massgebende und berühmte Locus des Martyriums und somit wird dieser ganze Stadtteil »Hügel Golgatha« gennant, wenn es auch nicht für den Kreuzigungsort der Tatsache entspricht.

Hier soll das Fragezeichen von John Wilkinson im Bezug auf dieses Problem erwähnt werden, wenn er notiert: »the rock outcrop called Golgotha or the whole raised area with the basilica? « (J. WILKINSON, Egeria's Travel to the Holyland, p. 158, Fussn. 6).

6 Vgl. D. BAHAT, The Illustrated Atlas, op. cit., pp. 55 und 59; auch Deis., Carla's Historical Atlas, op. cit., pp. 29 und 31.

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Das christliche Jerusalem als Vorbild 69

von monumentalen Säulen-Arkaden (Kolonnaden) flankiert. Das neue Gefühl

von Glanz und städtebaulicher Hierarchie spiegelt sich dadurch wieder. Den

ersten und wichtigsten Cardo des römischen Planes entlang, des am heutigen Damaskustor begann und in das Siontor nach Süden endete, werden die mo- numentalsten christlichen Kirchen situiert: die konstantinische Basilika mit der Rotunda und der Golgathakirche (326-335 v. Chr. ) im nordwestlichen und die justinianische »Nea«-Kirche (540 v. Chr. ) am südöstlichen Ende die-

ser Hauptstrasse. Die beiden baulichen Anlagen demonstrieren den neuen Geist der Behauptung neuer Bauelemente in einem vorgegebenen Plansystem:

sowohl die Anlage der Grabeskirche, wie auch diejenige der »Nea«-Kirche, respektieren die monumentale Kolonnade, die gerade vor ihrer Eingangsparti-

en unterbrochen wird, nicht, und unterstreichen damit ihre Bedeutung. Beide Architekten hatten die existierende Baulinie ignoriert und die prominenten Kirchen im gleichen Sinne plaziert, um zu zeigen, daß es solche »heiligen« Stätten nicht nötig haben, im übrigen städtebaulichen Kontext eingepaßt zu werden. In der Karte von Madaba werden diese beiden Manifestationen im 4. und 6. Jh. sehr klar dargestellt. '

Radikaler zeigt sich im folgenden die Plazierung weiterer religiöser und anderer öffentlicher Bauten im Kontext des rechtwinkligen Systems: es han- delt sich um jene Kirchen und Klöster, die von der Orthogonalität des sog. »hippodamischen« Systems abweichend in großer Anzahl im städtischen Be-

reich von Jerusalem situiert werden. Die vorchristliche funktionale und bauli-

che Struktur der Stadt wird somit stark verändert. Das Forum bekommt

zwei fremde Funktionen, das Baptisterium und die Kirche von Johannes dem Täufer. Weitere große religiöse Anlagen, wie die Grabeskirche im Norden, das Sabbas-Kloster im Süden, das Spoudaion-Kloster und die Badeanlage der Patriarchen nach Westen umschließen den früheren Marktbereich. Die Stadt

erhält in schnellem Tempo die vielen christlichen Bauten, die überall in

großer Fülle entstehen und neue Orientierungspunkte bilden. An der nord- westlichen Seite des Forums werden in dichter Bebauung das Kloster der beiden Theodoroi neben dem Spoudaion-Kloster und die Kirchen des H. Georg und Serapion situiert, während im Osten der Grabeskirche die Kirche der Hl. Kosmas und Damianus gewesen sein soll. Im südwestlichen Bereich (der heutige Davidturm und das Armenische Quartier) befanden sich die

' Vgl. M. Avi YONAH, The Madaba Mosaic Afap, Jerusalem, MCM 56 (1954); R. V. GOLD, The Mosaic Afap of Nfadaba, in »The Biblical Archaeologists, 21 (1958/3), 67 ff. Die Situierung der beiden monumentalen Kirchen mit Unterbrechung der Kolonnade ist klar in der Madaba-Karte. Sowohl M. Avi Yonah, a. a. O. 51, fig. 12, wie auch D. BAHAT, The Illustrated Atlas, a. a. O., p. 68 and Carta's historischer Atlas, a. a. O., p. 37 zeigen jedoch nicht eine treue Wiedergabe der Madaba-Abbildung.

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70 G. Lavas

Klöster von Iviron, von Syrern, die Kirche von Sankt Jakob (oder Menas)

und weitere religiöse Bauten. In der südlichen Erweiterung der Stadt (die in der Zeit von Eudokia, 5 Jh. n. Chr., mit Stadtmauer definiert wurde), soll die

allererste Jerusalemer Basilika von Sion gewesen sein, welche der Stadt den

Namen »Mutter der Kirchen« gegeben hat. Der Kirchenbau wird hier weiter multipliziert, da noch die Stefan-Kirche neben der Sion-Kirche, wie auch das

Petrus-Kloster und die Eudokia-Kirche (neben der Siloam-Badeanlage) im

selben, neuen Stadtteil überliefert sind. Östlich des zweiten Cardo im Nor- den der Stadt soll noch eine weitere wichtige Kirche gewesen sein, die Hagia

Sophia, am Ort, wo Jesus die Dornenkrone erhielt und vor Gericht gebracht wurde. Schließlich ist noch eine Kirche erwähnt, die an der Probatischen Ba- deanlage, wo später die St. Anna Kirche gebaut wurde, lag 8 (Abb. 8).

Bedenkt man die große Anzahl der Kirchenbauten, die in freier Anord-

nung in das strenge orthogonale System hineingesetzt worden sind, kann man sich die Umwandlung einer heidnischen in eine christliche Stadt vorstellen. Dies wird sehr deutlich in Jerusalem, wo jedes Faktum von Leben und Wir- kung Jesu und seiner Jünger in- und ausserhalb der Stadt zum Ausgangs-

punkt architektonischer Demonstrationsobjekte mit kultischer Funktion wur- de. Ähnlich ist freilich überall verfahren worden. Deshalb ist die These be-

rechtigt, daß seit dem vierten Jahrhundert in den urbanen Zentren im We-

sten und Osten allmählich eine innere Umwandlung ihrer baulichen und funktionalen Substanz stattfindet, welche die bestehende jahrhundertealte Pla-

nungsordnung sprengt. Neu und richtungsweisend bei dieser Umwandlung ist die Abweichung vom bestehenden Raster und die dadurch auftretende all- mähliche Überwindung des rechtwinkligen Straßensystems mit den Insulae in Quadrat- oder Rechteckformat. Das hauptsächliche Element dieser Wandlung des städtebaulichen Prinzips scheint der christliche Kirchenbau zu sein. Seine

autoritäre oder absolute Situierung (an räumlichen Punkten), sehr oft ohne Rücksicht auf bestehende Planungsvorschriften wird möglich dank der neuen bestimmenden städtischen Instanz, des Bischofs, der vom Kaiser für die Er-

richtung der Kultbauten für zuständig erklärt worden ist. Wir kennen eine große Zahl von Bischöfen, welche die treibende Kraft für die Realisierung

monumentaler kirchlicher Werke in verschiedenen Städten gewesen sind, wie zum Beispiel Makarios in Jerusalem, Porphyrios in Gaza, Paulinus in Tyros, Eugenios in Laodikeia, Felix in Rom, Demetrios I. und II. in Ravenna, Eu-

phrasios in Parentium. '

S Siehe D. BANAT, Carta's Historical, a. a. O., p. 37. Siehe A. ORLANDOS ['Op?. ' o_], 'II ýu). bcreio; Ha). aLo/pecrtavtxi) Baca), txý : ,,

A1£6oy£LcxýC, A£x&v7 t Athen 1952, pp. 80 ff.

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Das christliche Jerusalem als Vorbild 71

Diese Männer waren oft große Persönlichkeiten des geistigen Lebens, die diese städtische Umwälzung bewußt unternommen haben. So erweist sich die Meinung mancher heutiger Forscher, daß sowohl die alten griechisch-römi- schen Regel der Stadtorganisation vergessen wie auch die ästhetischen Krite-

rien außer Acht gelassen worden seien, als unrichtig. " Es gibt sogar noch härtere Auffassungen über den byzantinischen Städtebau, daß nämlich jede Spur von Planung " mit der Zeit eliminiert worden sei. Es ist deshalb inter-

essant, dieses Phänomen näher zu betrachten. Es wäre in der Tat ein Wider-

spruch, wenn einerseits großartige architektonische Schöpfungen im Laufe des Mittelalters entstehen (Hagia Sophia usw. ), andererseits aber diese archi- tektonischen Meisterleistungen ohne urbanes Raumgefühl und ohne Sinn für Ästhetik realisiert worden wären. Ist es also eine Schwäche der mittelalterli- chen Planungsfähigkeit, wenn das hippodamische System aufgegeben wird, oder wird hier eine andere Raumkonzeption verwirklicht? Kann zum Beispiel

eine Gesellschaft, wie die byzantinische, städtebauliche Regeln und Vorschrif-

ten für den richtigen Windschutz, die Besonnung, den Brandschutz, die Feuchtigkeit oder die Aussicht aufstellen und praktizieren, gleichzeitig aber unfähig sein zu sinnvoller räumlicher Planung? 12 Lassen Sie uns diese Frage

über einen kurzen Exkurs in die Antike beantworten.

u Vgl. W. MÜLLER-WIENER, Von der Polis zum Kastron, Wandlungen der Stadt in: Ae-

gaischerr Raum von der Antike zum Mittelalter, »Gymnasium«, 93 (1986), p. 463, wo folgende

These formuliert wird: »... das sich das aus der Antike überkommene Bild der Stadt (am An- fang) nur in Einzelheiten verändert hatte, so trifft man am Ende dieser Phase (11. Jhdt. ) auf ein durchaus mittelalterliches Stadtbild, dessen bestimmende Faktoren nun nicht mehr Planung

nach rationalen und Gestaltung nach aesthetischen Gesichtspunkten waren, sondern in dem

vor allem die Funktion (Verteidigung, Verkehr, Versorgung etc. ) der das Gesamtbild gestalten- de Faktor war... «. Und er fahrt noch kritischer über die Dekadenz städtebaulicher ästhetischer Werte weiter (p. 475): »Das beginnt mit dem Verlust jeglichen Gefühls für die Bedeutung ei- ner nach aesthetischen Normen gestalteten und nicht nur auf blosses Funktionieren hergeri-

chteten Umwelt - was im übrigen nicht nur (... ) für Provinzorte gilt, sondern ebenso für die Hauptstadt selber... «.

" Vgl. Ch. Bouit s, City and Village: Urban Design and Architecture, »Jahrbuch der Österreichischen B}zanimistik«, 31 (1981), p. 638, wo festgestellt wird: »... the first, funda-

mental observation to be made is that in not a single instance is there any trace of any overall town planning... «.

Zahlreich sind die relativen Forschungsresultate über Bauvorschriften und -richtlinien der Byzantiner. Vgl. (griechisch): 4r. S? pat6-oo), o; [Oreopulos], 0 NEor Avtx6S a6yog yta

Ap/t: Ex xxt rcv -6). r To ywptxo p. ovTC). o r; S EUrjvtxAS Ava ok) , Athen 1998;

-. Tpc,, zvo; [Troianos] - K. Ilt. azxr� [Pitsakis], cbuatx6 xat 8o t, jp. evo tcpt(3äa), ov ar pu; xv tv vo; ttxc; rryiz, Athen 1998; B. Too a6yaou-ý TEpavi6ou [Turptsoglu-Stefanidu], J7Ep(ypxppx ßu; zv tvwv Otzri8op. uxwv Ilsptopta tc v, Thessaloniki 1998; P. Aäppzg [Lavas], Il xp/t Er cvv. 7 a; t°. opetoE)J. xBtrr, zpz8oar;, EA? und llapa8omaxrý ApXLTEY. Tovnd, T6p. o; 7, Athen 1989.

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72 G. Lanas

Es ist wohl bekannt, daß das rechtwinklige oder hippodamische System

ein Produkt der von höchster Rationalität geprägten Phase in der zweiten Hälfte des fünften vorchristlichen Jahrhunderts ist, als ionische Naturphiloso-

phen, wie Anaxagoras oder Hippodamos von Milet, der Namensgeber des Systems, in Athen wirkten. Die griechischen Städte der früheren Jahrhunder-

te werden als unregelmäßig oder naturgewachsen bezeichnet, weil ihnen die

geometrische Rationalität des Rastersystems fehlt. Es ist interessant zu bemer- ken, daß die archaischen griechischen Heiligtümer, wie auch die Siedlungen dieser Zeit, von der Forschung mit den Adjektiven »chaotisch«, »unordent- lich«, »irregulär«, »zuffällig« charakterisiert werden. " Ähnliche Charakterisie-

rungen (wie »frei«, »lose«, »zuffällig«, »planlos«, " »abweichend vom urbanen Rastersystem«) werden auch für die mittelalterlichen Klostersiedlungen und Städte gebraucht. Diese Verwandtschaft der archaischen und der byzantini-

schen Epoche scheint nicht zuffällig zu sein, sondern enthält den Kern einer ähnlichen Raumkonzeption, die ähnliche Baugruppierungen hervorbringt. Zwei Beispiele urbaner Praxis können vielleicht diesen Tatbestand besser er- läutern. Die archäologischen Reste des archaischen Kamiros auf Rhodos (7. Jh. v. Chr. ) und das byzantinische Korinth (10. Jh. n. Chr.; Abb. 9) wei- sen eine Verwandtschaft in der unregelmäßigen räumlichen Disposition der Baumassen und der unbebauten Flächen auf. " Andererseits zeigt die Stadt Olynthos in der Chalkidike in ihren zwei Bauphasen (archaische und klassi-

sche Zeit) die Wandlung von unregelmäßiger zu rechtwinkliger Stadtform 16 (Abb. 10). Offensichtlich geht es hier nicht um Schwäche oder Stärke der Planungsfähigkeit in den entsprechenden Gesellschaften sondern um zwei verschiedene Raumkonzeptionen und Weltanschauungen. Die Pläne des ar- chaisch-griechischen Kamiros und von Olynthos wie auch des byzantinischen Korinth sind von einer irrationalen freien Disponierung der Baumassen ge- prägt, während sich im klassischen Olynthos der rationale Geist in geometri- scher Strenge manifestiert. Wir haben hier also einen Übergang von freier Disponierung zu einer Kanonisierung in der Zusammensetzung von Bauku- ben und hypaethralem Raum oder einer Wandlung vom unverbindlichen zum rationalen Zusammenstellen von Elementen in einem System. Dies bedeutet

eine Wandlung der räumlichen Denkweise, welche sich dann auf die urbane Baufläche projiziert.

" Vgl. B. BERGQUIST, The Greek Archaic Temenos, Lund 1967, p. 1, Anm. 1; G. LA-

VAS, Altgriechisches Temenos: Bau örper und Raumbildung, Basel 1974, pp. 8 ff. 14 Vgl. W. MÜLLER-WIENER, op. Cit. und Ch. Bouj s, op. cit.

Siehe O. DOUMMANIS and P. OLIVER (eds), Shelter in Greece, 1979, pp. 21,37. 16 Vgl. W. HOEPFNER - E. SCHWANDNER, Haus und Stadt im klassischen Griechenland,

Wohnen in der klassischen Polis I, München 1968, Abb. 24.

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Das christliche Jerrualem als Vorbild 73

Es ist nun interessant, diese Denkweise oder die Theorie des Raumes in ihrer Wandlung von der griechisch-archaischen zur klassischen Periode zu skizzieren und dann die entsprechende Raumtheorie der Byzantiner zu erläu- tern, um die Beziehung zwischen Theorie und Praxis zu sehen. Bekanntlich findet man zum ersten Mal den Begriff des Raumes im griechischen Denken in der Poesie, in den Texten, die mit der Religion verbunden sind. Hesiod's Theogonie enthält das Wort Xäoc (von Xa&vety = gähnen und X&axety = weit offen stehen), was die uralte Dimension von Körper (a(Gp. atra) und Raum (leer, zcv6v, y poc) bedeutet. " Vom Chaos (y&oc) hat Zeus mit sei- nem Blitz (xepauvö; ) die Welt geschaffen, d. h. eine erste Ordnungsform ein- geführt. Somit stellt im griechischen Denken der Begriff »Chaos« die Matrix

aller möglichen Ordnungsformen dar. Die nächste Stufe des räumlichen Be-

griffs scheint die Theorie der Atomisten, wie auch die pythagoreische Ord-

nung zu sein, die aus den Zahlen (aptOp. oi oder 7rpAylioc r) und dem Leeren (xcvöv,

.W; = Raum) besteht. Die Zahlen (die Dinge oder z. B. die Bau-

ten) sind miteinander getrennt und bestimmt, nämlich aufgrund des Leeren, d. h. des Raumes, der dazwischen existiert. Diese Beziehung zwischen Zahlen (Dinge, ac; ýpa: a) und Leerem (xcvöv = Raum) wird nicht näher beschrie- ben. Es wird jedoch der Begriff xcvöv (= Raum) mit dem 7rvcüp. a ä7retpov (= unendlicher Geist) oder Ociov (= göttlich, divine) identifiziert. Dieser

unendliche Geist enthält in sich alle Massen (-rot 7), r p-ý oder c p. aTa) im ab- soluten Sinne. Nach den Pythagoreem wird der Raumbegriff von Platon als ein logisches System verstanden, wo drei Größen in Beziehung gesetzt wer- den. Diese sind öv (= Idee), y pa (= Raum), yevcc !., (= Materie), die

ein System bilden, d. h. der Raum (= xcvöv, 7rvcüp. 0C 0C7retpov oder Oeiov)

wird von seiner absoluten Natur zu einer relativen Größe umgewandelt und Teil eines logischen, nicht mehr absoluten (göttlichen), sondern menschlichen Systems. Das bedeutet, daß sowohl der Raum, wie auch die in ihm enthalte- nen Dinge oder aw .c rc in verschiedenen Beziehungsformen (z. B. lose, par- allel, axial etc. ) zueinander stehen können. Kevöv (= Vakuum) und 7raýpzg, p. äta (= Masse) werden nun komplementäre Elemente einer Ganzheit 18 (Abb. 11).

Diese Entwicklung der Raumtheorie findet ihre praktische Anwendung in der altgriechischen Baukomposition: in der geometrisch-archaischen Zeit wer- den die Baukuben (awp. a: cc, Dinge, blassen) frei, irregulär oder »chaotisch« im Raum disponiert wie die pythagoreischen Zahlen. Nach Platon und als

'l Vgl. E. FINK, Zur ontologischen Frühgeschichte tun Ramm, Zeit, Bewegung, Den Hague (ohne Datum), p. 187; L. Götz, Die Fnmstehung der Ordnung, Zürich 1954, p. 144.

Vgl. G. LAVAS, Altgriechisc&s Temenos, cit., pp. 12 ff.

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Fortentwicklung des rationalen Denkens erscheint das sogennante hippodami-

sche System mit dem rechten Winkel und der klaren Geometrisierung der

Bebauungsfläche. Bezeichnend ist bei diesem System, daß alle Baukuben, sei- en sie religiöser oder privater Art, im Kontext dieser strengen Organisation ihren Platz finden. Sogar Tempel wie diejenigen von Athena und Zeus in Priene berücksichtigen das strenge Raster des Stadtplanes, " was eine Gleich-

setzung göttlicher und menschlicher Funktionen unter einer einheitlichen gei- stigen (menschlichen! ) Ordnung bedeutet (Abb. 12). Hier verbirgt sich der

Kern der demokratischen Idee: wenn menschliche und göttliche Bauten im

städtischen Raum in äquivalente Beziehung gesetzt werden, dann ist es um so mehr notwendig die Häuser und die Rechte der Bürger gleichzumachen.

Die anthropozentrische Lebensauffassung war nicht mehr aktuell, als das Christentum die Führung in der Gesellschaft der Spätantike übernimmt. Wie

in jeder religiös geprägten Epoche gibt es hier einen Theozentrismus, der

sich auch in Raumtheorie und - praxis übersetzt. Was die theoretische Sei-

te betrifft, so ist es bezeichnend, dass führende Kirchenväter, z. B. Basileios der Große (330-379 n. Chr. ), ein sehr guter Kenner der altgriechischen Lite-

ratur, sich eher negativ zum rationalen Denken äußern. In seinem Hexahe-

meron 20 findet man einen signifikanten Satz gegen die Geometrie, die Ma-

thematik, die Stereometrie, die Metereologie, die Astronomie und das ratio- nale Denken im allgemeinen. Wenn wir diese Bemerkung von Basileios mit der Behandlung des gleichen Sachverhalts im fünften Jahrhundert v. Chr. in Athen Z' in Beziehung setzen, so wird klar, wie vorsichtig die Kirchenväter

gegen Rationalismus waren, um die auf Glauben basierende neue Lebensauf- fassung nicht zu gefährden. Sie haben freilich gewußt, wie ausschlaggebend die Naturphilosophen (wie etwa Anaxagoras, Thales oder Hippodamos) mit ihrer Betonung des Logos für die Schwächung des religiösen Glaubens oder des Mythos gewesen sind. Da aber das byzantinische Denken mit der anti- ken Philosophie nicht generell brechen wollte, sind seine Vertreter besonders

vorsichtig bei der Formulierung z. B. räumlicher Begriffe. Jahrhunderte nach Basileios dem Großen definiert Nikephoros Blemmydes (1197-1272 n. Chr. )

w Vgl. W. HOEPFNER - E. SCHWANDNER, Haus und Stadt, a. a. O., p. 152, Abb. 140.

20 Siehe S. BASILII MAGNI, Honrilia I in Hexaenreron, wo es steht: »... Pewµe: ptzt y&p

xai &pt0ilY)TGY. cd (thOo8o , xai ai iet Tmv a zpewv rpzyp. ct. xt, xzi r. o), u0pü). Äi og aa povo-

µta, ttoauäcxoaog µaTat6 rg, rpög roicv xzrxc pýgouct TE), og; a (PG 31, Sp. 3 C).

_' Über den Konflikt zwischen den Rationalisten (Anaxagoras u. a. ) und der religiösen Tradition im 5. Jh. v. Chr. in Athen, die auch die Stadtplanung (in Bezug auf meteorologische Daten) betrifft, siehe, F. A&ßß2. - [Lavasl, 0I öSxµo; o üli), rato; xze ot 9uew). oyncc; 7 %-

päµeTpot Trig vaaarcdg rx. otxtxg, in flpxr_Twxx Tou Nil S: zO", o auvr8ptou'J. xatzig apyato- aoytzg, AO$va, 4-10 2 e-Teµßp(ov 1983, IV, Athen 1988, pp. 112 ff.

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Das christliche Jerusalem als Vorbild 75

das xciöv wie das archaische griechische Konzert und nicht wie es die ratio- nalen griechischen Denker getan haben, ' nämlich als 7rvet5p. oc ä. 7rripov (= un- endlicher Geist). Zum xrvöv (= Raum) addiert er den Begriff des ü7repx6a-

paov xevöv (= das überirdische Kenon), also den paradiesischen Raum, der Gott zugehört. Somit entsteht eine Verbindung zwischen Christentum einer- seits und dem griechischen und hebräischen Denken andererseits, indem die

griechische »Theophaneia« mit dem überirdischen Raum in Beziehung gesetzt wird. In diesem Zusammenhang sind zwei Begriffe maßgebend: das griechi- sche Wort »Temenos«, (vom Verbum --, pt&otLut, rp. üi. Lott = abgeschnittener, besonderer Raumteil, Heiligtum), nämlich der heilige Ort für Gott, und »der heilige Raum«, wie z. B. der von Gott begangene Berg Sinai (Oeoßä8&6rov opo; S tvx) oder die heiligen Topoi (AyLoL T6 to. ) von Palästina, welche mit dem überirdischen Kenon (göttlicher Raum, Paradies) zusammenfallen. Somit

wird im Christentum »Temenos« und »heiliger Raum« (= von Gott began-

gener Raumteil) der Erde identisch, nämlich ein heiliger Ort auf dem nun ei- ne religiöse Stätte gebaut wird. Gemäß der Beschlüße der VII. Ökumeni-

schen Synode sind solche heiligen Räume diejenigen, wo Jesus ging saß (x£/. zOfxzv), erschien (E:. EQuxev ýi 4sc'r. o 6Xw E7rE6x(oca ), aber auch die überall entstehenden christlichen Stätten? ' Diese heiligen Orte sind »Te- menoi« im altgriechischen Sinne, nämlich abgeschnittene, vom übrigen irdi-

schen Raum abgesonderte und besondere Einheiten, die nun überall den Pri-

mat bekommen. Infra und extra muros der menschlichen Behausung werden diese heiligen Orte maßgebend für jede urbane und bauliche Planung und Organisation. Jeder Bischof hat nun die Macht bekommen, möglichst viele Kirchen und Klöster zu gründen, die bestehende Stadtordnungen und ratio- nale Schemata nicht mehr respektieren mußten. Ein neuer Geist, dessen ro- ter Faden das theokratische, nicht das anthropozentrische Prinzip ist, prägt Form und Funktion der städtischen Organisation seit dem vierten Jahrhun- dert n. Chr. Jerusalem, Thessaloniki, Antiocheia, Philippi in Mazedonien, Athen, Rom und weitere alte urbane Zentren sind Beweise dieser radikalen Umwandlung. Das Beispiel von Thessaloniki (Abb. 13) - ebenfalls eine »heilige« Stadt wie Jerusalem, dank dem Heiligen Demetrios - scheint be-

sonders überzeugend. Nur im beschränkten ummauerten Raum der Stadt

werden vom 4. bis zum 15. Jhdt. insgesamt 50 kleine und grosse Kirchen

r Vgl. NICEYfi0itl BLE\11%1YoAE, Spropsis Capitis Y=, Kap. DA: Tlepi xevoü, Migne, P. G. 142, Sp. 1300.

:, Vgl. H. B. OIhoNO\IOU, 0 1EpE; 7wpo;. Btß?. toYaroptxA xat vo[Loxavovtxh aväxua-l, Athen 1997, p. 24.

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76 G. Lavas

und 44 Klöster oder Metocheia anderer Klöster Platz finden Z' Wenn für alle diese heiligen Stätten der Primat der Situierung gilt, ist es offenbar wie un- möglich es wäre, rechtwinkliges Strassensystem und isonome Insulae mit dem

theokratischen Ordnungsprinzip in Einklang zu bringen. Trotzdem wird sich die neue Situation nicht zuffällig und planlos entwickelt haben, sondern ge- mäß einer neuen Konzeption, welche sich durch ihre Bezugnahme auf funk-

tionelle, physiologische und psychologische Parameter im Laufe des Mittelal-

ters verkompliziert erweist.

24 Vgl. die Publikation der Ephorie der Byzantinischen Antiquitäten von Thessaloniki, II Oeaax], ovixr %xt :x pvrµetx -r; [Thessaloniki und seine Monumente], Thessaloniki 1985.