MNP0619 Der Schatz - Castello di Rivoli...Das Vorzimmer mit Werken von GIACOMO BALLA und MASSIMO...

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Report.VILLA CERRUTI Text Sebastian Frenzel Der Schatz ABGESCHOTTET VON DER ÖFFENTLICHKEIT BAUTE EIN TURINER GESCHÄFTSMANN EINE DER WERTVOLLSTEN KUNSTSAMM- LUNGEN DER GEGENWART AUF. EIN BESUCH IN DER VILLA CERRUTI 56 GIORGIO DE CHIRICO „MUSE METAFISICHE“, 1918 Fotos: © Archivio Collezione Cerruti, © Castello di Rivoli, Fondazione Cerruti, long term loan, Castello di Rivoli Museo d’Arte Contemporanea, Rivoli-Turin, © Giorgio de Chirico, VG Bild-Kunst, Bonn 2019/SIAE. Alessandro Grassani

Transcript of MNP0619 Der Schatz - Castello di Rivoli...Das Vorzimmer mit Werken von GIACOMO BALLA und MASSIMO...

  • Report.VILLA CERRUTI

    Text

    Sebastian Frenzel

    Der SchatzABGESCHOTTET VON DER ÖFFENTLICHKEIT

    BAUTE EIN TURINER GESCHÄFTSMANN EINE DER WERTVOLLSTEN KUNST SAMM-

    LUNGEN DER GEGENWART AUF. EIN BESUCH IN DER VILLA CERRUTI

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    GIORGIO DE CHIRICO „MUSE METAFISICHE“, 1918

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  • Die VILLA CERRUTI bei Turin

  • Das Musikzimmer: Auf dem Steinway-Flügel steht u. a. eine GIACOMETTI-Skulptur; an der Wand hängt PONTORMOS „Ritratto di gentiluomo conlibro e guanti“, um 1540–41

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    Report.VILLA CERRUTI

    Vom Alpenpanorama einmal abgesehen, ist die Fahrt vom Zentrum Turins zur Villa Cerruti im Vorort Rivoli einigermaßen unspektakulär. Und doch muss es auf der kurzen Strecke über Jahre hinweg immer wieder zu einer magischen Meta-morphose gekommen sein. Aus Francesco Federico Cerruti, einem erfolgreichen Industriellen, der in Turin in einer spartanisch eingerichteten Woh-nung direkt über seiner Buchbinder-Fabrik hauste, wurde ein hochkultivierter Sammler, der inseiner Villa den Traum eines Exzentrikers lebte.

    Niemand sollte von Cerrutis Doppelleben wissen. Seine Angestellten nannten den stets asketisch auftretenden Chef nur den „Buchhalter“. Sie hatten ja keine Ahnung, in welche Existenz Cerruti für einige Stunden an den Wochenenden schlüpfte. So ist auch die Villa selbst von außen unscheinbar, ein ockerfarbener 60er-Jahre Bau, der sich in den Hügeln eher versteckt, als dass er über ihnen thront. Der Kontrast zum Inneren könnte größer nicht sein. In prunkvollen, aber nie-mals protzigen Rokoko-Salons entfaltet sich eine der eigenwilligsten und hochklassigsten Kunst-sammlungen der Gegenwart, arrangiert zwischen ebenso erlesenen Möbeln, Teppichen, Objekten und Hunderten wertvollen Büchern.

    Erst jetzt und dem Letzten Willen des im Jahr 2015 verstorbenen Sammlers folgend, wird dieses geheimnisvolle Gesamtkunstwerk der Öffentlichkeit zugänglich gemacht, dank einer Kooperation zwischen der Stiftung Cerruti und dem Turiner Museum Castello di Rivoli. Dessen Direktorin, die frühere Documenta-Chefin Carolyn Christov-Bakargiev, erklärt unumwunden: „Manchmal geschehen Wunder.“ Und wirklich: Man läuft durch die Villa wie durch einen Traum.

    Cerrutis Kunstschatz umfasst rund 300 Gemälde und Skulp-turen vom Mittelalter bis zur zeitgenössischen Kunst. Ange-fangen von einem spätgotischen Triptychon Agnolo Gaddis über Jean Dubuffets Art-brut-Gemälde „Passant Furtiv“ von 1954 bis zu einem Madonnenbild von Gino De Dominicis aus dem Jahr 1992, von Goyas „Los Desastres de la Guerra“ (1863) über Renoirs „Jeune fille aux roses“ (1897) bis zu einer Abstraktion von Franz Kline aus den 1950ern. Dazu eine ganze Serie von Meisterwerken von Giorgio de Chirico und Giorgio Morandi, Pablo Picasso und Andy Warhol.

    Salon für Salon entfalten sich zauberhafte Konstellationen, enigmatisch, doch stets mit der Präzision des Connaisseurs ar rangiert. Cerruti scherte sich nicht um Stil- oder Epochen-fragen, nur um Schönheit und Perfektion. Er platzierte eine kleine Giacometti-Skulptur auf dem Steinway-Flügel, ein Cézan-ne-Aquarell auf einem Konsolentisch aus dem 18. Jahrhundert, er wählte für jedes seiner Bilder eigene Rahmen aus, die er oft bei Antiquitätenhändlern erstand – ein Schlitzbild von Lucio Fontana etwa versah er mit einem goldenen Barockrahmen. In einer seiner wenigen bekannten Äußerungen formuliert er es so: „Meine Sammlung unterliegt keinen Beschränkungen chronolo-gischer oder geografischer Natur, sondern umfasst Kunstwerke aus unterschiedlichen Zeiten und Orten unter der alleinigen

    Voraussetzung der Exzellenz, die ich als wichtigsten Faktor der Kohärenz erachte.“ Seine Villa sollte ein idealer Ort sein – gelebt hat er nie in ihr, ja nur ein paarmal übernachtet.

    Die atemberaubendste Hängung nahm Cerruti im Treppen-haus vor. Unten treffen drei auf Jute gemalte Bilder aufeinander, ein Miró sowie zwei späte Arbeiten von Paul Klee. Ein paar Stufen weiter reihen sich Porträts von Umberto Boccioni und Gino Severini an Francis Bacons „Study for a Portrait IX“ (1956/57) sowie eines der schönsten Werke der Villa: Amedeo Modiglianis melancholisches „Donna dal vestito giallo“ (1918). Auf einen Wert von 500 Millionen Euro wird die Sammlung geschätzt – wobei Geld das letzte ist, woran man an diesem vollendeten Ort denkt.

    Wunderkammern haben oft etwas Angeberisches und Jahrmarkthaftes, die Privatmuseen heutiger Sammler ohnehin. Cerruti aber ging es weder um Prestige noch um Investment, er richtete sich seinen Miniaturpalast nur für sich ein, zur Bildung, zur Erweiterung des Geistes. Bei allem Eklektizismus

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    Niemand sollte von Cerrutis Doppelleben wissen. Museumsdirektorin Christov-Barkargiev nennt die Sammlung ein »Wunder«

    Eines der wenigen existierenden Fotos zeigt FRANCESCO FEDERICO CERRUTI in seiner Fabrik im Jahr 1957

    PENDEL-UHR, PARIS UND MEISSEN, CA. 1770–75

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    Im Esszimmer speiste Cerruti umgeben von den metaphysischen Kompositionen Giorgio de Chiricos, die sich an den verspiegelten Wänden unendlich re#ektierten

    Das Studienzimmer mit PIERRE-AUGUSTE RENOIRS „Jeune fille aux roses“, 1897

    Das Esszimmer mit Werken von GIORGIO DE CHIRICO, ganz rechts eine chinesische Vase aus der QING-DYNASTIE, 1662–1722

  • LINKS: FRANZ KLINE „Untitled“, um 1955. RECHTS: LUCIO FONTANA „Concetto spaziale, Attese“, 1965, für das Cerruti einen Barockrahmen wählte

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    Report.VILLA CERRUTI

    der Sammlung: Ein wiederkehrendes Motiv in diesem Schatzhaus sind Darstellungen von einsamen Männern, die ein Buch in der Hand halten. Es taucht auf einem Renaissance-Gemälde von Dosso Dossi, einem manieristischen Meisterwerk von Pontormo, einer Fotografie von Man Ray oder einem Gemälde von de Chirico auf. Der ins Studium versunkene, nach Exzellenz stre-bende Einzelgänger – ganz offensichtlich war dies die Figur, mit der sich Francesco Cerruti identifizierte.

    Der Industriellen-Eremit, außen Asket, innen Ästhet, ist ein bekannter Topos der Moderne, vom großen Gatsby bis zu Citizen Kane. Francesco Federico Cerruti erfüllt ihn auf ganz spezielle Weise. Geboren 1922 in einfachen Verhältnissen, brachte er es als Buchbinder zum Milliardär, da er ein spezielles automatisiertes Verfahren erfand. Cerruti druckte unter anderem Telefonbücher, seine Erfindung ermöglichte die Herstellung von bis zu 200 000 Büchern am Tag. Ausgerechnet dieser Mann also, der werktags mit massenhafter Reproduktion zu tun hatte, wurde sonntags zum Fetischisten auratischer Einzelobjekte.

    Es ist nicht bekannt, ob Cerruti Walter Benjamins Aufsatz „Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzier-barkeit“ kannte. So wie überhaupt kaum etwas über ihn bekannt ist, es auch kaum Fotos von ihm gibt. Cerruti hatte keine Frau, keinen Mann. Er hatte nur seine Kunstwerke, die er als seine „Kinder“ bezeichnete, war verschlossen und menschenscheu, vielleicht auch autistisch. Das Verhältnis zu seiner Mutter muss delikat gewesen sein, davon kündet ein eigens für sie eingerichte-tes Schlafzimmer in der Villa, über dessen Bett ein Madonna-mit- Jesuskind-Bild des Leonardo-Schülers Marco d’Oggiono hängt. Die Mutter schlief nie in diesem Bett. Cerrutis Schwester und seine Sekretärin waren seine engsten und einzigen Vertrauten, ab den

    80er-Jahren lud er immerhin zweimal im Jahr zu einem kleinen Empfang: zu seinem Namenstag am 18. Juli und zum 31. Dezem-ber, dem Tag vor seinem Geburtstag. Die gesamte Sammlung zeigte er seinen Gästen nie, immer bloß einzelne Werke.

    „Unsere Familie hat stets Einfachheit und Diskretion gewählt, der Verführung des Rampenlichts widerstanden, das handfeste Bemühen dem Geschrei der Welt vorgezogen“, schreibt seine Schwester Andreina Cerruti im Ausstellungsführer der Cerru-ti-Villa. „Dies ist wahrscheinlich die Quelle für den Drang meines Bruders, in der Kunst einen Ort der inneren Kontemplation zu suchen, etwas, was vielleicht nur jenen Seelen möglich ist, die dem wahren Leuchten einer Existenz in der Stille folgen.“

    Und so war er die meiste Zeit völlig allein in seiner Villa. Ver-brachte hier ein paar intensive Stunden, die ganz der Verfeinerung seiner Leidenschaft, seines Intellekts und Geschmacks galten, während derer er las, Bildbände studierte, seine Bilder betrachtete, neue Hängungen ausprobierte, im Garten meditierte. In den Sommermonaten nahm er seinen Sonntagslunch auf der Terrasse

    ein, umgeben von seinen Jugendstil-Geflecht-möbeln und mit Blick ins Grün. Während des Winters speiste er in einem Esszimmer, auf dessen verspiegelten Wänden sich die metaphysischen Kompositionen und Porträts von Giorgio de Chirico (acht an der Zahl!) unendlich reflektierten. Eine Konstellation, die so viel über Cerruti aussagt wie das Motiv des einsamen, lesenden Mannes.

    Wer die Villa betritt, könnte gleichwohl an das Heim eines Lebemannes denken. Da ist eine riesige Weinsammlung im Keller der Villa – aber Cerruti rührte den Wein nicht an. Da ist ein Billardtisch, an dem nie jemand spielte. Da sind Betten, in denen nie jemand schlief, Meissener Porzellan, das nie benutzt wurde. Im Garten erstrecken sich neben einer Orchideensamm-lung und einem Meditationspfad auch ein leerer Hühnerstall sowie eine Fischfarm, in der nie ein Fisch schwamm. Es wirkt, als habe der tiefgläubige Katholik Cerruti die Dualismen der menschlichen Existenz – Geist und Körper, Sünde und Erlösung – in Balance bringen wollen. Alles hier ist Poesie.

    Um diese Fiktion aufrechterhalten zu können, hüllte sich Cerruti in den Nebel der Anonymität. Sein erstes Kunstwerk, ein Kandinsky-Aquarell, kaufte er vermutlich im Jahr 1969 in einer Galerie in Genua. Später erwarb er zahlreiche Arbeiten bei den Turiner Galerien La Bussola und Galatea

    sowie bei dem Antiquitätenhändler Pietro Accorsi, stets unter dem Mantel der Verschwiegenheit. Über Kataloge und Bücher war der Sammler bestens informiert, doch zu Ausstellungen in weiter entfernte Städte oder gar ins Ausland reiste er nie. Auch Bekannt-schaften zu Künstlern interessierten ihn nicht. Auktionen bestritt er am Telefon. Zu Kunstmessen schickte er seine Sekretärin, die ihm am Telefon einzelne Werke beschreiben musste.

    Dabei wollte Cerruti nicht die Kunst vor der Welt verstecken, sondern sich selbst. Die Gründung eines Privatmuseums hat er nie in Betracht gezogen. Doch wenn über den kleinen Zirkel Eingeweihter institutionelle Anfragen für Leihgaben an ihn weitergeleitet wurden, stimmte er fast ausnahmslos zu – unter

    Das Vorzimmer mit Werken von GIACOMO BALLA und MASSIMO CAMPIGLI sowie hinten PABLO PICASSOS „Tête de femme“, 1942, und „La Femme Faune“, 1946

    Cerruti sammelte unabhängig von Epochen- oder Stilfragen. Er erachtete

    Exzellenz als einziges Kriterium

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  • FRANCIS BACON „STUDY FOR PORTRAIT IX (STUDIO PER RITRATTO IX)“, 1956/57

    MAN RAY „HARRY MELVILLE“, UM 1925

    RENÉ MAGRITTE „LE DUO (IL DUO)“, 1928

  • Wunderkammern haben oft etwas Angeberisches, Privatmuseen ohnehin. Cerruti aber richtet sich seinen Palast nur für sich ein

    Der Flur mit AMEDEO MODIGLIANIS „Donna dal vestito giallo (Ritratto di Madame

    Modot) (La Belle spagnole)“, 1918. RECHTS: GINO SEVERINI „Autoritratto

    (Self-Portrait)“, 1912

    Das rechteckige Zimmer mit Werken u. a. von AGNOLO GADDI, GIUSEPPE PELLIZZA DA VOLPEDO, SIMON VOUET, GIOVANNI ANTONIO AMADEO, JUSEPE DE RIBERA

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  • Report.VILLA CERRUTI

    der Bedingung der Anonymität. Erst nach seinem Tod erfuhr die Welt, wer sich hinter der Fondazione F. C. per l’Arte verbarg.

    Francesco Cerruti hat die Stiftung Anfang der 2000er-Jahre gegründet und in ihren Statuten verfügt, dass die Sammlung nach seinem Tod zusammengehalten und als Dauerleihgabe an das nächstgelegene Museum gehen soll: das Castello di Rivoli. Seit Cerrutis Tod vor vier Jahren haben Stiftung und Museum die Villa renoviert, jetzt wurde sie erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt und ist künftig nach Anmeldung zugänglich.

    Christov-Bakargiev hat zudem ein Ausstellungskonzept er-arbeitet, in dem sich zeitgenössische Künstler mit der Sammlung Cerruti auseinandersetzen. Susan Philipsz hat eine meditative Soundarbeit für den Garten der Villa geschaffen, der an den aus den Bergen kommenden, mythenbesetzten Wind der Region anspielt. Auf Picassos Gemälde „Oiseau avec une branche“ aus der Sammlung Cerruti bezieht sich Camille Henrot mit einer goldenen Skulptur, die in ihrem Inneren ähnlich enigmatische Objekte behaust wie die Sammlervilla. Drei Leporelli von Anna Boghiguian reflektieren Cerrutis Liebe zu Büchern und Bildern.

    Für einen längeren Forschungsaufenthalt ist der aus China stammende Liu Ding bereits im Winter nach Turin gekommen. Im Gespräch erzählt er von seinen Besuchen auf dem Fabrikgelände der mittlerweile stillgelegten Buchbinderei und vom Schock beim Anblick von Cerrutis Wohnung auf dem Werksgelände: Winzig sei die gewesen und völlig geschmacklos eingerichtet. Jeder Mensch habe zwei Seiten, sagt der Künstler, eine solche Widersprüchlich-keit aber habe er nicht für möglich gehalten. Im Museum hat Liu

    Ding jetzt einen Orchideenraum anlegt mit vielen Spiegeln, nicht unähnlich dem Esszimmer in Cerrutis Villa. Nur dass er zwischen die Pflanzenschönheiten die öde Firmengrafik der Buchbinderei mischt.

    So minutiös Francesco Cerruti sein Doppelleben inszenierte, so genau hatte er sich selbstverständlich auch seinen Tod ausgemalt. Seine Villa verfügt über einen kleinen Aussichtsturm, dessen oberstes Zimmer der Sammler mit einem Bett und etlichen Heiligenbildern eingerichtet hatte. Die Geburt Christi, Maria und Jesuskind, die Kreuzigung – alle Motive in diesem Raum drehen sich um Leben und Tod. Kapellenförmig mit Fenstern gen Osten und Westen angelegt, sollte dies Cerrutis Sterbezimmer werden.

    Carolyn Christov-Bakargiev hat die leicht unheimliche Gruft durch einen zeitgenössischen Neubau erweitert. Sie interpretiert das Turmzimmer dieses Mannes, der an eine durch alle Epochen und Orte hindurchwirkende Schönheit glaubte, als Raum der Transzendenz und handelt damit sicher in seinem Sinn.

    Francesco Cerruti hat in seiner Villa nie gelebt, und er ist auch nicht in ihr gestorben. In den kommenden Monaten und Jahren werden viele weitere Künstler wie Jimmie Durham oder Giuseppe Penone, Goshka Macuga oder James Richards, Wael Shawky oder Adrián Villar Rojas die Geschichte dieses außergewöhnlichen Mannes weitererzählen. Es ist alles nur Poesie.

    Tickets für den Besuch der VILLA CERRUTI können über die Website des Museums Castello di Rivoli gebucht werden, castellodirivoli.org. Die Hommagen zeitgenössischer Künstler auf Cerruti erstrecken sich fortlaufend sowohl auf die Villa als auch auf das Museum

    artbodensee.info, facebook.com/artbodensee

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    E Messe für zeitgenössischeKunst

    Dornbirn

    Sonderschau

    Elke Silvia Krystufek

    Artist in Residence

    Milan Mladenovic

    Juni

    28 – 30

    2019